Die Ausstellung „Mythos Chanel“ spürt im Museum für Kunst und Gewerbe der stilprägenden Modeschöpferin nach. Unter den mehr als 200 Exponanten sind Kostüme, Accessoires, Schmuck, Werbegrafik, Fotografien und Modemagazine.
Hamburg. Das Exponat, das am meisten Aufmerksamkeit erregen dürfte, ist nicht aus dem berühmten Tweedstoff, sondern sehr flüchtig. Ein Flakon von 1921, darauf das halb verblichene Etikett „Chanel No 5“, darin eine Pfütze des inzwischen deutlich nachgedunkelten originalen Duftwassers. Ihre Modeentwürfe machten Gabrielle „Coco“ Chanel zur Legende, das vom Parfumeur Ernest Beaux in ihrem Auftrag entwickelte Parfum, das ihren Namen trägt, machte sie reich und zeitlebens unabhängig.
Wie hat diese aus ärmlichsten Verhältnissen stammende Frau es geschafft, eine der erfolgreichsten und beständigsten Modemarken aller Zeiten zu kreieren? Dem „Mythos Chanel“ spürt bis zum 18. Mai eine Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe mit mehr als 200 Exponaten nach, darunter Kostüme, Accessoires, Schmuck, Werbegrafik, Fotografien und Modemagazine. Zehn Original-Kostüme konnten mit Hilfe der Stiftung für die Hamburger Kunstsammlungen für die hauseigene Sammlung erworben werden.
Ihre Biografie hat die 1883 im Armenhaus unehelich geborene und im Waisenhaus aufgewachsene Gabrielle Chanel immer ein wenig geschönt. Tatsache ist: Mithilfe wohlhabender Gönner macht sie sich 1908 als Modistin selbstständig und eröffnete 1913 ihren ersten Couture-Salon in Paris. 1919 zog sie in die Rue Cambon 31, wo die Marke bis heute residiert. Hier schuf Chanel Klassiker zeitloser Eleganz, 1955 die gesteppte Handtasche, 1957 die zweifarbigen Slingpumps, ebenfalls 1957 das Chanel-Kostüm. Wie es aussieht, weiß fast jede junge Frau, auch wenn die meisten sich den hochpreisigen „Anzug für die Frau“ höchstens als eine der zahllosen Nachahmungen leisten können. Ein Wickelrock mit schmaler Silhouette, aber viel Bewegungsfreiheit, darüber eine Kostümjacke mit Borte und aufgesetzten Taschen, in Form gehalten durch eine eingearbeitete Kette und eine akkurate Schulterpartie. Beides aus Wolltweed. Angeblich hat Chanel ihr Faible für das Material bei Begegnungen auf dem Land entwickelt, wo sie einerseits die britische Herrenmode und den Charme österreichischer Janker entdeckte.
Die vermeintliche Schlichtheit der schwarzen, weißen und erdfarbenen Kostüme peppte Chanel mit Unmengen echter und falscher Goldklunker auf. Ihre Mode der ausgeklügelten Einfachheit, befand Pablo Picasso, sei „die Armut des Luxus“. Chanel duldete nichts an einem Kleidungsstück, das keine Funktion hatte. In ihren Entwürfen hatte sie den neuen Typus der selbstbewussten, arbeitenden und sportlichen Frau vor Augen. Frauen wie sie selbst. Nach kriegsbedingtem Schweizer Exil kehrte sie 1954 nach Paris zurück und führte nach 15 Jahren Pause ihr Haus bis zu ihrem Tod 1971 weiter. Erst zu dieser Zeit wurde sie richtig berühmt. Da war sie 70 Jahre alt.
38 originale Kleidungsstücke, Accessoires und mehr als 50 Modeschmuck-Objekte, opulente Broschen und Halsketten aus den Jahren 1925 bis 1971 dokumentieren Coco Chanels Stilsicherheit. Eine Vitrine samt korrespondierender Fotoserie zeigt Kreationen, die Marlene Dietrich bei verschiedenen Anlässen trug. Die aktuelle Bedeutung des Modehauses Chanel wird zudem durch eine Gegenüberstellung von Originalen des Chanel-Kostüms mit allerlei Nachahmungen namenloser Ateliers und Konfektionäre deutlich. Ein Raum widmet sich dem „Kleinen Schwarzen“, dem schlichten, kurzen schwarzen Etuikleid, das Coco Chanel zwar nicht erfunden hat, das aber von der amerikanischen „Vogue“ 1926 als „das Kleid, das die ganze Welt tragen wird“, bezeichnet wurde. Es taucht in Variationen von Issey Miyake bis Yves Saint Laurent auf.
Ein großer Teil des Erfolgsgeheimnisses von Coco Chanel liegt wohl in ihrer schillernd-charismatischen Persönlichkeit, die Käufer und Anhänger in den Bann zog. Sie hatte Talent als Modeschöpferin und als Geschäftsfrau, was eine natürliche Begabung zur Selbstvermarktung einschloss. Ihre Biografie, ihre Künstlerfreunde von Jean Cocteau bis Salvador Dalí, ihre häufig tragisch endenden Affären mit den mächtigsten und reichsten Männern ihrer Zeit, vom Großfürsten Dmitri Pawlowitsch bis zu Walter Schellenberg, dem Abwehrchef der Nazis, überhaupt ihre undurchsichtigen Verbindungen zum Dritten Reich, spielen hier keine Rolle. Die Ausstellung nähert sich der Faszination Coco Chanel anhand ihrer Kreationen.
Die Marke Chanel ist heute ohne Karl Lagerfeld, den die Kunsthalle parallel als Fotografen präsentiert, nicht denkbar. Nach mehreren gescheiterten Anwärtern übernahm er 1983 das Modehaus, behielt wichtige Aspekte des Stils bei und überführte es ins neue Zeitalter. Interessant für Hamburger Besucher ist in dem Zusammenhang sein frühes Kollektionsheft der Saison Herbst/Winter 1989/90, eines der ersten, das Lagerfeld in Hamburg selbst fotografierte. Lagerfeld-Muse Ines de la Fressange steht darin im Bürgermeistersaal vor der Senatorenreihe. Natürlich in einem Kostüm von Chanel.
„Mythos Chanel“ 28.2. bis 18.5., Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz, Di–So 10–18,
Do bis 21 Uhr; www.mkg-hamburg.de