Lisa Politt und Gunter Schmidt veranstalten an diesem Freitag in der Fabrik zum zehnten Mal das Benefiz für jugendliche unbegleitete Flüchtlinge. Außer Musik stehen Kabarett und Lesung auf dem Programm.
Hamburg. Die Mischung dieser Veranstaltung sucht ihresgleichen – in der Vergangenheit und in der Gegenwart. Es hat ja schon etwas, wenn ein Helge Schneider nach einem ausverkauften Gastspiel auf dem Kiez noch am selben Abend im Taxi in die Fabrik rast, um einer Show als erhoffter Überraschungsgast mit einer spaßigen, jazzigen und fast intimen Session das Krönchen aufzusetzen. Oder wenn ein Stargast, der keiner sein will wie der singende Schauspieler Robert Stadlober („Crazy“) ebenfalls ohne Gage kommt, um mit seiner Garyband exklusiv sein neues Album vorzustellen. Oder wenn Musiker wie Frank Spilker (Die Sterne) und Bernd Begemann gratis Erinnerungen an die Hamburger Schule wachrufen.
Alle und alles schon da gewesen im Rahmen von Kleinkunst, satirischer Lesung und zuweilen ungewöhnlicher Musik. Möglich macht solch denkwürdige Auftritte das alljährliche Benefiz für jugendliche unbegleitete Flüchtlinge von Lisa Politt und Gunter Schmidt. Wenn das als Herrchens Frauchen bekannte Kabarettduo am heutigen Freitag zum zehnten Mal zum Benefiz-Abend in die Ottenser Fabrik bittet, können die beiden Initiatoren erstmals eine Formation begrüßen, die künstlerisch genauso lange existiert wie sie: Die Goldenen Zitronen hatten 1984 als spaßige Punkband begonnen und haben im Laufe ihrer Karriere mehrfach einen musikalischen Stilwechsel vollzogen – ohne sich dabei untreu zu werden.
Die Zitronen haben sich wie Herrchens Frauchen ihre linke Perspektive und ihre Unabhängigkeit von der Musikindustrie bewahrt. Mit Autor Schorsch Kamerun sowie Gitarrist und Bassist Ted Gaier gehören aber nur noch zwei Gründungsmitglieder zum Septett. Kamerun, auch Mitbegründer des Golden Pudel Clubs und längst Regisseur an renommierten deutschen Bühnen, singt noch immer gern, Gaier spielt wahlweise Gitarre oder Bass. Nachdem sich Die Zitronen auf ihrem vorigen Album „Die Entstehung der Nacht“ eine Neigung zum poetischen Sprechgesang entwickelt hatten, geben sie auf ihrem aktuellen „Who’s Bad“ mit Post-Punk und Songs wie „Der Investor“, „Echohäuser“ oder „Europa“ (mit einem Streifzug durch deutsche und niederländische Fußgängerzonen sowie französische Supermärkte) wieder Anregungen abseits der „musikalischen Socialmedia-Swingerclubs“.
Es versteht sich fast von selbst, dass Die Goldenen Zitronen heute Abend der Haupt-Act sind. Das Hamburger Blasorchester Tuten & Blasen, beim Benefiz-Abend traditionell für die Schlussakkorde bekannt, macht stattdessen den Auftakt. Die Gruppe hat eine eigene Mischung aus Jazz-, Afro- und Latin-Elementen entwickelt. Seit mehr als zehn Jahren gibt sie auch Konzerte zu Stummfilmen der 20er-Jahre.
Herrchens Frauchen überlässt Tuten & Blasen zwar den Vortritt, wird aber auch einige alte Songs wie „Der Schrank“, „Heulen unter Wasser“ oder Georg Kreislers „Kapitalistenlied“ im neuen Gewand zum Besten geben. Auf den Sinn und Unsinn eigener und fremder Texte können sich Rainer Trampert und Thomas Ebermann verlassen. Die einstigen Grünen-Politiker sind als satirisches Lesebühnen-Duo zwischen „Sachzwang und Gemüt“ nicht nur für Alt-Linke unverzichtbarer Teil des Benefiz-Abends. In der Tat gehörten Trampert und Ebermann, Letztgenannter mit seiner Lesereihe „Vers- und Kaderschmiede“ fester Teil des Polittbüro-Programms am Steindamm, bereits in den 90ern zu den Mitinitiatoren des Benefiz von Herrchens Frauchen.
„Die Solidarität mit den Flüchtlingen in Hamburg ist groß“, meint Gunter Schmidt, „aber die jugendlichen unbegleiteten Flüchtlinge sind die schwächste Gruppe, die am meisten Unterstützung braucht.“ Deshalb fließen die Erlöse, in der Vergangenheit schon mal 10.000 Euro pro Abend, zur Hälfte an das bundesweite Netzwerk Kein Mensch ist illegal und an ein Jugendwohnprojekt der Arbeiterwohlfahrt in Hamburg. Beide zeigen auch an Infotischen in der Fabrik Präsenz.
Benefiz für jugendliche unbegleitete Flüchtlinge Fr 14.2., 21.00 Fabrik (S Altona, MetroBus 2), Barnerstr. 36, Karten zu 22,- im Vvk./20,- (Ak.)