Schauspieler Christoph Maria Herbst im Interview über das Verhältnis zu seinem zynischen Alter Ego. Die TV-Serie ist zu Ende - aber am 20. Februar gibt es ein Wiedersehen im Kino.
Berlin. Erholt sieht er aus, die Haut ist braun gebrannt, Haare und Bart sind kurz geschoren. Optisch erinnert Christoph Maria Herbst kaum mehr an sein Alter Ego Bernd Stromberg. Der 47-Jährige ist blendend gelaunt an diesem Interviewtag in Berlin und plaudert über sein Leben mit „dem Bernd“, das nun enden wird: Mit der Premiere von „Stromberg – Der Film“ startet Herbst am 20. Februar zur großen Abschiedstournee durch die deutschen Kinosäle, denn die gleichnamige Fernsehserie ist damit zu Ende.
Hamburger Abendblatt: Herr Herbst, wie lange dauert es, bis aus Christoph Bernd Stromberg wird?
Christoph Maria Herbst: Einige Monate. Erst lasse ich mir die Haare wachsen, was bei mir nicht schwer ist (deutet auf seinen kahl geschorenen Kopf) – das heißt einfach nur, nicht den Haartrimmer benutzen. Für den Bart brauche ich nur noch drei Wochen. Mein Körper hat so eine Art „Memory Effect“ entwickelt, mit dem er signalisiert: „Leute, wir müssen uns jetzt wieder zusammenreißen, der Bernd ist wieder am Start.“
Sie nennen ihn „Klobrillenbart“.
Herbst: Es gibt viele Ausdrücke dafür. Auf jeden Fall ist er ein wesentliches, markantes Markenzeichen der Figur.
Der war damals Ihre Idee, oder?
Herbst: Ja. Ich wollte, dass Stromberg so aussieht, wie er aussieht. Ich hatte nämlich nicht vor, meine eigene Haut für einen Charakter wie Bernd Stromberg zu Markte zu tragen. Außerdem verstehe ich den Schauspielberuf ja auch so, dass ich mit der Verwandlung arbeite. Ich musste richtig dafür kämpfen, dass der Stromberg so aussieht.
Autor Ralf Husmann wollte es nicht?
Herbst: Nein. Man kannte mich damals schon aus „Ladykracher“, und er hatte wohl Angst, dass die Leute mich nicht erkennen würden. Aber ohne Bart mache ich es nicht, habe ich damals gesagt.
Wie ging es dann weiter?
Herbst: Mir wurde im Computer das Stromberg-Gesicht retuschiert, komplett mit „Klobrille“. Ralf hat sich das Bild dann ausgedruckt und im Büro an die Wand gehängt. Und nach vier Wochen rief er mich an und sagte: „Du hast Recht. Das passt genau zu dem, was ich hier gerade schreibe.“
Zehn Jahre „Stromberg“. Endet damit auch für Sie ein Lebensabschnitt?
Herbst: Total. Das ist wie eine Beziehung, die zu Ende geht. Wenn man zehn Jahre mit jemandem zusammen ist, da kann es noch so hässlich enden, es bleibt ein Jahrzehnt. Wie heißt es doch? Man geht nie so ganz. Es bleibt was.
Was denn?
Herbst: Gut, spätestens hier hat sich der Beziehungsvergleich wahrscheinlich erledigt. Es bleiben fünf Staffeln Serie! Mit dem angenehmen Nebeneffekt, dass ich das, was ich in der Zeit getan habe, für die Nachwelt auf DVD gebrannt habe. Und wenn ich irgendwann mal sentimentale Schübe habe und den Bernd vermisse, schiebe ich eine davon ein. Toll, oder?
Eine erfolgreiche TV-Serie ist Fluch und Segen zugleich, haben Sie gesagt.
Herbst: Genau. Ich bin aber der Meinung, dass der Segen überwiegt. Mir hat „Stromberg“ viele Türen geöffnet, mehr jedenfalls, als er sie versperrt hätte.
Die Serie startete mit guten Kritiken und schwachen Quoten. Fans baten per Online-Petition um Fortsetzung. War „Stromberg“ mit der Verwurzelung im Netz seiner Zeit voraus?
Herbst: Stimmt. Es gab damals ein richtiges Bürgerbegehren im Netz. Aber ich kann jetzt verraten, dass das gar nicht nötig war. Der damalige Geschäftsführer von ProSieben hatte mir schon nach der ersten Folge in die Hand versprochen, dass es eine zweite Staffel geben wird. Er und seine Redakteure hatten gemerkt, was für ein Schätzchen sie da hatten. Heute ist ja nach drei Folgen schon wieder Schluss, wenn eine Serie nicht den Senderdurchschnitt bedient.
Wäre „Stromberg“ heutzutage also nicht mehr möglich?
Herbst: Ich glaube nicht. Auch ProSieben ist ja zunehmend renditegetrieben. Ein anderer Sender würde mir auch nicht einfallen.
Sie persönlich treten im Internet kurz. Facebook, Twitter sind nicht Ihr Ding?
Herbst: Nein. Da bin ich eher konservativ. Ich wüsste auch nicht, warum das irgendjemanden interessieren sollte, dass ich gerade beim Zahnarzt war. Wenn ich Gespräche und Unterhaltung brauche, wende ich mich an wirkliche Freunde, und nicht an virtuelle.
Also keine „Kundenbindung“ von Star zu Publikum im Netz?
Herbst: Mein Dienstleistungsgedanke hört da leider auf. Ich habe eine Agentin und ich beantworte auch Fan-Mails. „Follower“ – das ist für mich irgendwie gleichbedeutend mit „Stalker“. Da habe ich Angst vor!
Zurück zum Film. Darin lassen Sie den Handlungsraum Büro hinter sich.
Herbst: Ja, aber nicht zum ersten Mal. Wir waren in der TV-Serie auch schon auf der Kegelbahn, beim Badminton und haben gemerkt, das geht. Die Figur fällt nicht auseinander, selbst dann nicht, wenn Bernd sein nacktes Hinterteil zeigt, weil er sich zugesoffen hat und dem Chef ausgerechnet dann sagen will, wer hier das Sagen hat. Wenn Stromberg jetzt so eine „Derrick“-Figur gewesen wäre, 30 Jahre lang dieselbe Geschichte, nur die Tränensäcke rutschen noch einen Millimeter tiefer – nein, das wäre auch nicht meins gewesen.
Die Arbeitswelt rund um Stromberg hat sich verändert – auch wenn er selbst es ein bisschen spät merkt.
Herbst: Na ja, sein Büro ist ja ein hermetisch abgeschlossener, gleichwohl stark riechender Raum. In dem Moment, wo man dann rausgeht und Luft ans Hirn lässt, sieht man sich eben mit ganz anderen, neuen Themen konfrontiert. Und ja, Personalabbau und Rationalisierungsmaßnahmen sind nun auch in der Capitol angekommen.
Und aus Stromberg ...?
Herbst: ...wird in der Not ein kleiner Demagoge. Aber das passt ja. Es geht wieder nur um sein eigenes Ego. Liebend gerne hätte er sich vor den Karren spannen lassen und den Kollegen die Kündigung höchstpersönlich übergeben. Dann versaut er es sich aber leider mit der Geschäftsführung. Fünf Minuten später steht er dann in der Lobby, und haut eine fast schon politische Rede raus: „Die wollten von mir, dass ich die Leute raussetze. So was macht der Bernd nicht!“
Am Ende des Films steht Stromberg vor einer neuen Herausforderung – und vor Frank-Walter Steinmeier (SPD), der als Gaststar auftritt. Eine Chance für eine Fortsetzung?
Herbst: Jein. An der Stelle setzt dann hoffentlich das Kopfkino des Zuschauers ein. Lässt sich „Lasst das mal den Papa machen“ auch auf der Melodie der Internationalen singen?
Der Song kommt als Single raus.
Herbst: Dabei ist er ja nicht die erste Gesangseinlage vom Bernd! Für eine Capitol-Feier wollte Stromberg ja schon mal den Roland Kaiser holen. Doch der war ihm dann ja zu teuer. „500 Euro? Dafür kann er es ja selber machen!“ Hat er dann auch. Eine Riesenshow hat der Stromberg gemacht, Hits wie „Zehn nackte Friseusen mit richtig feuchten... (Pause)... Haaren“ gesungen. Das kam insbesondere beim Vorstand Bombe an. Sitzen ja nur Chauvis da.