Nach den „Rasenden“ kommt „Der Sturm“: Das Schauspielhaus zeigt vom 23. Januar an das Stück von William Shakespeare in der Regie von Maja Kleczewska

Hamburg Am Schauspielhaus geht es mit den Premieren Schlag auf Schlag. Nach der fulminanten Eröffnung mit dem Antiken-Projekt „Die Rasenden“ von Intendantin Karin Beier, steht heute Abend um 20 Uhr die Premiere „Der Sturm“ von William Shakespeare in einer Inszenierung der polnischen Regisseurin Maja Kleczewska auf dem Spielplan. Bereits am 6. Februar kommt die dritte Inszenierung einer Regisseurin im großen Haus heraus: „Schuld“ nach Dostojewski von Karin Henkel. Der Rasenden-Marathon steht am 24. Januar, 9. Februar sowie am 22. und 30. März wieder auf dem Programm.

Hamburger Abendblatt: Was ist Ihre Inszenierungsidee zum Drama? Trägt das Stück seinen Titel zu Recht oder sollte es besser nach der Hauptfigur „Prospero“ heißen?

Maja Kleczewska: Mein „Sturm“ spielt auf der inneren Bühne von Prospero. In meiner Versuchsanordnung, nach meinem Ansatz geht es nicht um objektive, äußere, sondern um innere Umstände und Zustände, die den Charakter veranlassen, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen.

Was wollen Sie mit Shakespeares „Sturm“ grundsätzlich sagen, erzählen?

Kleczewska: Ich vermute, dass es in jedem Leben diesen Moment gibt, den wir gemeinhin die letzten fünf Minuten nennen. Und diese fünf Minuten sind sehr spannend. Wir können diese fünf Minuten den „Sturm“ nennen. Wir alle müssen da durch und sind dann vermutlich in der Lage und bereit, uns mit dem auseinanderzusetzen, wozu uns vorher der Mut gefehlt hat.

Also ist diese Inszenierung eine gute Vorbereitung auf das eigene Ende ...

Kleczewska: Ja. (lacht)

Welche Rolle spielen Prosperos Mitbewohner auf der Insel: seine Tochter Miranda, der Luftgeist Ariel, der Ureinwohner Caliban. Wie bahnt sich deren Realität den Weg auf die innere Bühne? Sind diese Figuren unwichtiger als sonst?

Kleczewska: Nein, die anderen sind nicht unwichtiger. Sie sind als Inselbewohner über Jahre zum Zusammenleben verurteilt gewesen und damit auch fester Bestandteil von Prosperos Einsamkeit. Dann wird durch den Schiffbruch diese etablierte Welt aufgebrochen und die Eindringlinge, die Schiffbrüchigen, etablieren eine neue Welt. Durch diesen Anlass konfrontiert Prospero sich regelrecht mit der Vergangenheit und zwingt auch die anderen, sich mit ihren traumatischen Erfahrungen auseinanderzusetzen. Das verursacht bei allen schockierende Erlebnisse innerer, unerwarteter Impulse, mit denen sie plötzlich umgehen müssen.

Können Sie zwei Beispiele nennen?

Kleczewska: Alonso muss sich mit der Tragödie auseinandersetzen, sein Kind verloren zu haben. Antonio muss mörderische Impulse in sich kennenlernen, eine Seite von sich entdecken, der er sich vorher nicht bewusst war.

Wie sehen Sie Caliban?

Kleczewska: Das ist immer die schwierigste Frage. Nach unserem Konzept repräsentiert Prospero die Alte Welt und Caliban die Neue Welt. Die Alte Welt stirbt, ohne sich dessen bewusst zu sein, während sie die andere Welt unterdrückt. So lässt sich auf Caliban eine Menge projizieren, was sich unter dem Begriff „Das Andere“ oder „Das Fremde“ fassen lässt, wie wir es fühlen. So ist Caliban mehr eine Projektion unserer Furcht als real.

Also geht es nicht vordergründig um Kolonialismus wie in vielen anderen „Sturm“-Inszenierungen?

Kleczewska: Nein. Aber das steckt alles mit drin. Und natürlich gibt es Hinweise auf und Verbindungen zum zeitgenössischen Kontext.

„Der Sturm“ wird weithin als visionäre Komödie gesehen, teilen Sie diese Deutung nicht?

Kleczewska: Den „Sturm“ kann man als Komödie sehen. Aber in allen Shakespeare-Dramen gibt es Protagonisten, die komische Elemente ins Spiel bringen und andere, die völlig humorfrei sind. Also ist es immer ein Mix aus Komödie und Tragödie. Wenn ich bedenke, dass „Der Sturm“ Shakespeares letztes Drama ist, war ihm bestimmt in der Auseinandersetzung mit der Bühnenkunst gleichzeitig leicht, lustig und bitter zumute.

„Der Sturm“ ist Ihre erste Arbeit am Schauspielhaus, fühlen Sie sich hier wohl?

Kleczewska: Ich hatte große Befürchtungen als ich herkam, vor allem vor der doppelten Sprachbarriere aus Englisch und Shakespeare-Englisch. Aber ich habe mit den wunderbaren Schauspielern sehr schnell eine eigene Verständigungsebene gefunden.

Haben Sie Shakespeares „Sturm“ schon vorher inszeniert?

Kleczewska: Ja, in Warschau. Da habe ich aber den Schwerpunkt auf die Beziehung von Miranda zu ihrem Vater Prospero gelegt. So entwickelt sich die Auseinandersetzung mit dem Stück jedes Mal weiter. Shakespeare hat so viele Bedeutungsebenen, dass man das Stück nie komplett erklären kann. Es gibt immer Neues zu entdecken.

Premiere „Der Sturm“ von William Shakespeare in der Regie von Maja Kleczewska, Deutsches Schauspielhaus, 23. Januar, 20 Uhr; Karten: 040 248713;

www.schauspielhaus.de