Jette Steckels Version von Gerhart Hauptmanns Sozialdrama „Die Ratten“ am Thalia Theater ist wundervoll gespielt aber etwas kopflastig.
Hamburg. Die Bühne ist ein Hort des Elends. Zumindest beim großen Naturalisten Gerhart Hauptmann, der in seinen Sozialdrama „Die Ratten“ von 1911 das Innere eines Berliner Mietshauses nach Außen kehrt. Wie lässt sich das heute glaubhaft erzählen, eine Milieustudie auf der Bühne behaupten? Jette Steckel unternimmt am Thalia Theater den Versuch, in dem sie das Stück mit Auszügen aus Maxim Gorkis „Nachtasyl“ und einer Reflexion Einar Schleefs („Die Schauspieler“) über Repräsentation auf dem Theater kreuzt.
Auf einer weitgehend leeren Bühne von Florian Lösche sucht Jette John (Lisa Hagmeister) nach einem Fetzen vom Glück, mit dem Maurerpolierer Paul (Jörg Pohl). Da sie nicht schwanger werden kann, bedient sie sich bei dem noch verzweifelteren polnischen Dienstmädchen Pauline (Maja Schöne), das ihr ein ungewolltes Kind überlässt, bis sie es überraschend zurückbegehrt. Und der Traum von der glücklichen Kleinfamilie mit Einbauküche droht in den Bühnenhimmel zu entschweben. Viel Raum nimmt die Nebenhandlung ein, in der der Theaterdirektor Hassenreuther (Karin Neuhäuser als gekonnte Joachim-Lux-Parodie), bei dem Jette John den Bühnenboden wischt, mit Schauspielschülern, wie dem klemmigen Theologiestudenten Spitta (Mirco Kreibich) nach richtigem Ausdruck und Artikulation fahndet.
Steckel verhandelt das ganze mit viel psychologischem Spiel und zuweilen arg illustrativer Folk-Musik des Duos Dieter Fischer und Markus Graf. „Es ist doch alles gespielt, es darf nur keiner was merken“, dieser Satz beschäftigt die Regisseurin zweieinhalb Stunden lang. Und nicht nur Spitta, auch die Direktorentochter Walburga (Franziska Hartmann) reißen sich da beherzt Perücken und Kleider vom Leib. Die Verbindung von Inhalt und Nachdenken über die Form geht nur bedingt auf. Ein wenig ermatteter Applaus für Darsteller und Regie.