DSDS & Co.: Das Privatfernsehen setzt im TV-Frühjahr vornehmlich auf Casting- und Reality-Shows. Mutig ist das nicht, sondern lediglich eine Variation des Immergleichen.

Kürzlich erst, zum 30-Jährigen des Privatfernsehens, wurde den kommerziellen Sendern überwiegend Lob ausgesprochen: für die wertvollen Impulse, die RTL, Sat.1 und all die anderen dem Medium gaben. Das wird die Privaten gefreut haben, weil derlei Freundlichkeiten auch auf der Überzeugung beruhen, dass die Öffentlich-Rechtlichen durch die größere Senderkonkurrenz besser geworden sind. Das mag sein, ändert aber nichts an der Tatsache, dass Breakdance, Rollstuhlskating, Extremspringen und andere erlebnisorientierte Freizeitaktivitäten noch lange keine gute Show machen.

Womit wir bei der einerseits einfallslosen, andererseits clever bestrittenen TV-Wirklichkeit anno 2014 wären. Besagte Show heißt „Millionärswahl“ (nächste Folge: 16.1., 20.15 Uhr, ProSieben), läuft seit vergangener Woche auf ProSieben und Sat.1 und ist auf ihre Weise das perfekte Amalgam des Showschaffens privater Provenienz.

Na ja, fast perfekt: Es geht in „Millionärswahl“ in sieben Folgen darum, dass 49 Teilnehmer ihre Talente und Fähigkeiten vorstellen, so obskur die auch sein mögen. 25.000 Kandidaten hatten sich angeblich für die Sendung beworben. Das spricht für ihren Massenappeal und ihre Durchlässigkeit, und Massenappeal und Durchlässigkeit sind das, was das Privatfernsehen in der Hauptsache in die deutsche TV-Landschaft gebracht hat.

Sein groß angelegtes Projekt der Demokratisierung wird bei der „Millionärswahl“ auf die Spitze getrieben. Am Ende entscheiden Publikum, Teilnehmer, Zuschauer gemeinsam über den Sieger, der eine Million kassiert. Eine Mischung aus „Das Supertalent“ und „Voice of Germany“ also; würden die Funsportler beim sinnlosen Gassenklettern Kakerlaken essen und danach gemeinsam mit Junggesellinnen im Pool baden, dann wäre „Millionärswahl“ die tatsächlich perfekte Synthese der vergangenen Privatfernsehenjahre.

Dies kann man derzeit nachprüfen, denn praktischerweise ist gerade Showtime auf allen Kanälen. Das kompetitive, auf unerhörte Schauelemente, spektakuläre Gewinne, romantische Inszenierungen, Ekeleffekte und selbst entblößende Körperoptimierungen zielende Spektakelfernsehen schießt in den nächsten Wochen aus allen Rohren.

Seit vergangener Woche läuft die neue Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“ (15.1., 20.15 Uhr, RTL), und die Quote ist so mies wie seit den Anfängen der Musiksendung nicht mehr.

Großartige Künstler hat sie sowieso keinen einzigen je hervorgebracht, und selbst wer nur wegen Dieter Bohlens zugegebenermaßen erfinderischen Beleidigungsarien einschaltete, hat anscheinend jetzt auch davon endlich mal genug. Es hat sich ausgedietert, wenn jeder Song schon mal verhunzt wurde.

RTL kann derweil von DSDS nicht genug bekommen, was daran liegt, dass die logistischen und finanziellen Anstrengungen sehr überschaubar sind.

Fernsehen gemacht wird hier wie in den meisten anderen Casting- und Realityshows ja vor allem mit den armen Bühnenfiguren, die aus Verblendung, Ehrgeiz und Ruhmsucht zu willfährigen Opfern berechnender Programmchefs und voyeuristischer Sofasurfer werden.

Am anderen Pol des Amüsier- und Staunplaneten werden dann C- und Doppel-D-Promis zusammengepfercht; auch hier ist der Aufwand nicht allzu groß. Das „Dschungelcamp“ (Start: 17.1., 20.15 Uhr, RTL) läuft inzwischen schon zum achten Mal. Wer Moneten oder Publicity braucht, isst hier ein paar Tage zusammen mit Gleichgesinnten exotische Tiere und lässt sich dabei filmen. Einzige Aufgabe des Produktionsteams: Promis finden, Sprüche schreiben, Tiere auftreiben, deren Hoden bislang noch nicht verspeist wurden. Wahrscheinlich kann man im australischen Dschungel endlich einmal ernsthaft abnehmen – und raus aus der Verliererecke, in der die Dicken immer stehen! „The Biggest Loser“ (15.1., 20.15Uhr, Sat.1) ist die Show für propere Kerlchen und niedliche Pummelchen, die doch eigentlich ganz okay sind, wie sie sind, aber von einem anderen Leben träumen. Letzteres übrigens eine Grundannahme für jeden Normalnormalen (sprich: Nullpromi) und Normalen (sprich: Ein-bisschen-Promi), die der Kamera alle gleich ausgeliefert sind. Sie erhoffen sich durch die Teilnahme an halbseidenen und exhibitionistischen Programmen, die wegen der strengen Dressur durch Jurys oder Drehbücher immer etwas von einer Zirkusvorstellung haben, Veränderung, Abwechslung, Verbesserung im persönlichen Leben. Mutig, diesen Wunsch ans Privatfernsehen zu delegieren.

Bei „The Biggest Loser“ wollen 16Kandidaten mithilfe von Drillinstructor Christine Theiss abnehmen, bei „Real Cool Runnings“ (14.1., 20.15 Uhr, Vox) vier kenianische Athleten, die noch nie auf dem Eis standen, mithilfe der ehemaligen Eisschnellläuferin Anni Friesinger so kufensicher werden, dass sie demnächst um die Wette fahren können. Hat das jetzt etwas unangenehm Kolonialistisches, wenn Afrikaner europäische Fortbewegungsformen lernen sollen? Nicht unbedingt. Es ist nur alles so vorhersehbar. Anfänger, die auf die Schnauze fallen – das hat die Welt ja noch nie gesehen ...

Zu oft gesehen hat sie derweil die sagenhaft einfältige Partnerbörse „Der Bachelor“ (22.1., 20.15 Uhr, RTL), in der ein eitler Stenz in unwirklichen Settings junge Frauen zum Defilee antreten lässt. Die Expedition ins Menschenreich (Lektion 1: Balzverhalten in der Paarungszeit) läuft zum vierten Mal; auch der „Bachelor“ ist eher kein Leuchtturm des Privatfernsehens. Vielleicht einfach mal raus aus dem Zoo?