Heike Ressel und Martina Kurth kümmern sich im Career Center der Hochschule für Musik und Theater um die Fragen und Nöte der Studenten.
Hamburg. Ciro Auricchio hat ein Problem. Der Musikstudent, Stimmlage Bass, ist mit seinem A-cappella-Ensemble Poesik für ein Konzert gebucht, doch der Tenor leidet an einer akuten Stimmbandentzündung. Hilfe holt er sich vier Tage vorher bei Heike Ressel. Die ist zwar keine HNO-Ärztin, sondern Kulturmanagerin, aber sie hat Plan B in der Tasche. Sie rät dem jungen Sänger, das Programm umzustellen, um die Indisponiertheit des Tenors so etwas zu kaschieren und sie bietet an, zur Not für das von ihr vermittelte Ensemble einen Ersatz zu suchen. Ressel gehört zum Career Center der Hamburger Hochschule für Musik und Theater (HfMT). Zusammen mit ihrer Kollegin Martina Kurth sitzt sie im Neubau der Hochschule. Die beiden ausgebildeten Musikerinnen wollen den Musikstudenten helfen, schon während des Studiums die richtigen Schritte in Richtung Profitum zu gehen.
„Der Begriff der Karriere hat sich verändert und dem tragen wir Rechnung“, sagt Martina Kurth. „Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von Studenten, die später keine Festanstellung in einem Orchester oder eine Solokarriere anstreben, sondern die sich breiter aufstellen und in verschiedenen Projekten musizieren müssen, weil die Konkurrenz groß ist und es immer weniger Festanstellungen gibt. Wir sprechen mit den Studenten und unseren Absolventen darüber, wo jeder Einzelne mit seinen Fertigkeiten hin will und versuchen, ihnen verschiedene Möglichkeiten aufzuzeigen.“ Kurth, ausgebildete Flötistin und studierte Kulturmanagerin, arbeitet seit 2005 an der HfMT. Als sie an die Musikhochschule kam, war sie in erster Linie für die Betreuung von externen Konzerten verantwortlich – als berufsvorbereitende Maßnahme, denn Auftrittserfahrung ist für den musikalischen Nachwuchs wichtig. Inzwischen hat sie ihre Abteilung ausbauen können. Durch Geld, das sie beim Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung beantragt und bewilligt bekommen hat, konnte sie mit Heike Ressel eine zweite Fulltime-Managerin einstellen. Die ausgebildete Geigerin hat viele Jahre für die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen als Tourneeleiterin gearbeitet.
Die Studenten kommen ins Career-Center-Büro mit Fragen dieser Art: Wie gestalte ich einen Konzert-Flyer? Wie bekomme ich Kontakte zu Veranstaltern? Wie gestalte ich Pressefotos für mich oder mein Ensemble? „Wir beraten die Studenten dabei, sich eine Reputation aufzubauen und sich bei der großen Konkurrenz von anderen abzuheben“, sagt Kurth. Als Beispiel führt sie das Trio Boulanger an, deren Mitglieder HfMT-Absolventen sind und die sich als Schwerpunkt dem Werk des Komponisten Wolfgang Rihm und Neuer Musik verschrieben haben. Ein Alleinstellungsmerkmal, das den drei Musikerinnen enorm hilft.
Ihr Wissen geben Martina Kurth und Heike Ressel auch in Seminaren und Workshops an der HfMT weiter. Themen wie Musikergesundheit, Auftrittstraining und der kreative Umgang mit Nervosität vermitteln sie unter anderem in „Fit für den Beruf“-Kursen. Die Reflexion über den eigenen künstlerischen Weg und rechtliche Fragen sind relevante Themen in den Seminaren der höheren Semester. Doch auch individuelle Betreuung gehört zu den Aufgaben. Heike Ressel hat vor Kurzem eine Studentin auf Bewerbungsgespräche vorbereitet. „Unsere Arbeit ist mit einem Coaching vergleichbar“, sagt sie. Viele der Studenten nehmen jahrelang den Rat der beiden engagierten Frauen in Anspruch – auch nachdem sie die HfMT bereits verlassen haben. Carola Schaal ist so ein Beispiel.
Die Klarinettistin tummelt sich ebenfalls in verschiedenen Projekten mit Neuer Musik. Sie gründete ein eigenes Ensemble mit dem Namen Decoder, das mit Live-Elektronik arbeitet und vor allem Werke junger Komponisten spielt. „Ich verstehe mich als Performance-Künstlerin und versuche, Musik und Bewegung miteinander zu verbinden“, sagt die junge Musikerin aus der Abschlussklasse des Jahres 2009. Über Jahre hinweg ist sie von Martina Kurth begleitet und beraten worden, bei Fragen zu Verträgen und Versicherungen, aber auch in künstlerischen Angelegenheiten. „Ganz wichtig war die Konzerterfahrung, die ich in den externen Reihen der Hochschule sammeln konnte. Außerdem war es eine gute Gelegenheit, neue Kontakte zu knüpfen und eventuell Folgeauftritte zu bekommen.“
Die beiden Kulturmanagerinnen besuchen regelmäßig Konzerte
Auch Ciro Auricchio, 28, kommt etwa alle zwei Monate in den weißen Kubus an der Milchstraße: „Die Beratung dort ist sehr professionell. Unser Ensemble ist in diesem Jahr schon vier Mal durch die Vermittlung des Career Centers aufgetreten.“ Der Sänger hat gerade sein Lehramtsstudium an der HfMT beendet. Er möchte Schuldienst und Konzertauftritte miteinander verbinden.
Für die insgesamt externen 15 Konzertreihen, an denen die HfMT beteiligt ist, zeichnet seit einem Jahr Heike Ressel verantwortlich.
„Die Hochschule und das Career Center sind nicht Veranstalter dieser Reihen, sondern zum Beispiel die Freunde des Botanischen Gartens oder das Ernst-Barlach-Haus. Finanziert werden diese Konzerte oft durch Stiftungen. Wir suchen dafür Studenten aus und lassen sie auftreten“, erklärt Ressel. Die Programme entwickelt sie mit den Musikern und den Veranstaltern. „Wir haben zum Beispiel eine Reihe in der Kunsthalle. Da versuche ich musikalisch einen Bezug zu den jeweils laufenden Ausstellungen herzustellen.“
Die beiden Kulturmanagerinnen besuchen regelmäßig Konzerte und Klassenvorspiele an der Hochschule. „Es ist wichtig zu sehen, wie Studenten sich musikalisch weiterentwickeln, um ihnen zum Beispiel die Chance zu einem Auftritt zu geben“, so Martina Kurth. Auch Heike Ressel verbringt viele Abende in Konzertsälen, erlebt Konzertreihen von Veranstaltern, die mit der HfMT kooperieren, um ihre Schützlinge spielen und singen zu hören. Auch bei Ciro Auricchios Auftritt im Botanischen Garten ist sie dabei.
Der Bass und seine Mitstreiter sind etwas nervös, doch das Publikum bekommt von den Schwierigkeiten des Ensembles nichts mit. Die vier Sänger und der Sprecher werden am Ende des Abends mit stürmischem Applaus für ihr Programm mit Musik und Lyrik verabschiedet. Ciro strahlt, Heike Ressel ist zufrieden. Eine Woche später kommt Auricchio wieder ins Career Center der Hochschule. Diesmal holt er sich eine detaillierte Rückmeldung ab. Damit der nächste Auftritt noch professioneller wird.