An diesem Freitag hat der Medienmanager seinen letzten Arbeitstag als Vorsitzender von Studio Hamburg, dem nach der Bavaria zweitgrößten deutschen Produktionsunternehmen. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht.

Hamburg Ein offizieller Nachfolger ist noch nicht gefunden, aber immerhin eine Zwischenlösung. Wie das Abendblatt erfuhr, hat sich der Studio-Hamburg-Aufsichtsrat auf eine Interimslösung für den Posten des scheidenden Studio-Hamburg-Geschäftsführers Carl Bergengruen verständigt. Vom 1. Dezember an wird Andrea Bruns, Geschäftsführerin von NDR Media, nebenamtliche Geschäftsführerin neben Kurt Bellmann, langjähriger Geschäftsführer und Finanzvorstand. Am 6. Dezember ist zudem die offizielle Tagung des Aufsichtsrats — möglich, dass an diesem Termin die seit Monaten vakante Stelle endlich neu besetzt wird.

Seit Juni steht fest, dass Carl Bergengruen an diesem Freitag nach drei Jahren seinen letzten Arbeitstag als Vorsitzender der Studio Hamburg Gruppe haben wird, dem zweitgrößten deutschen Produktionsunternehmen nach der Bavaria. Er wird Chef der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg, die für die Filmförderung im Südwesten Deutschlands verantwortlich ist. Im September folgte die Nachricht, dass auch sein Vize Robin Houcken das Unternehmen verlässt — offiziell im gegenseitigen Einvernehmen. Seit November ist Houcken Partner und Geschäftsführer in der Agentur Nordpol/Interpol. Seine Stelle wird nicht nachbesetzt, die Suche nach einem neuen Vorsitzenden dagegen wurde mit Hochdruck betrieben. Allerdings bislang ohne konkretes Ergebnis.

Auf die Frage nach Gründen landet man schnell bei den Herausforderungen, mit denen der neue Studio-Hamburg-Chef konfrontiert sein wird. Manch einer stichelt, es brauche für den Job eher Abwickler- denn Entwicklerfähigkeiten. Das ist zu gleichen Teilen richtig und falsch. Korrekt ist, dass der Unternehmensbereich Atelier & Technik vor gewaltigen Problemen steht. Auf dem Gelände in Tonndorf und am Standort Berlin standen Studios leer, die Technik war nicht ausgelastet. Eine der ersten Amtshandlungen von Bergengruen war eine umfassende Restrukturierung. Die Filmtechnik wurde in diesem Jahr an die Bavaria verkauft. Von den üppigen 70.000 Quadratmeter Gelände in Tonndorf wurden 10.000 verkauft und für Wohnungsbau umgewidmet. Für den Standort Berlin wird nach wie vor ein Mehrheitsgesellschafter gesucht. „Im Bereich der Studiovermietung und technischen Dienstleistungen gab es massive Probleme. Dort haben wir uns ein umfassendes Restrukturierungsprogramm auferlegt. Die Unternehmenssparte ist bereits kleiner, schlanker und effizienter. Am Ende soll sie so aufgestellt sein, dass sie in den nächsten Jahren profitabel wirtschaften kann“, sagt Bergengruen.

Auf der anderen Seite kann die Produktionssparte von Studio Hamburg erfreuliche Ergebnisse aufweisen. Der Bereich, in dem Werke von „Tatort“ bis „Tatortreiniger“, von „Großstadtrevier“ bis zum Kinofilm „Nachtzug nach Lissabon“ produziert werden, ist nach wie vor profitabel. „Für die neue Geschäftsführung wird es darum gehen, den begonnenen Restrukturierungsprozess fortzusetzen. Konkret heißt das: Geschäftsfelder ausbauen, die gut laufen – Beispiel: die Fernsehproduktion — und sich von anderen lösen, deren Entwicklungschancen aus Sicht von Studio Hamburg negativ sind“, sagte NDR-Intendant Lutz Marmor, der zudem Aufsichtsratsvorsitzender von Studio Hamburg ist. Mit der Nachfolgesuche beauftragte Marmor übrigens die auf Top-Führungskräfte spezialisierte Headhunter-Agentur Egon Zehnder.

Namen für mögliche Nachfolger kursieren bereits seit einiger Zeit in Branchenkreisen; der NDR dementierte bislang sämtliche. Als aussichtsreicher Kandidat galt Medienmanager Martin Hoffmann, derzeit Intendant der Berliner Philharmoniker und früherer Sat.1-Geschäftsführer. Auch Frank Hähnel, Sprecher der Geschäftsführung der TVN Group (Madsack), wurde als möglicher Kandidat gehandelt. Intern hatte angeblich Michael Lehmann, Geschäftsführer von Studio Hamburg Produktion, Interesse bekundet.

Als schwierig erweist sich die Suche auch deshalb, weil der geeignete Kandidat zahlreiche Qualifikationen mitbringen muss. „Er oder sie sollte über die Fähigkeit verfügen, strategisch zu denken und zu handeln, für Aufbruchstimmung sorgen und Studio Hamburg in der Branche gut vertreten. Wichtig wären zudem Erfahrungen mit strukturellen Umbauprozessen, wie sie bei Studio Hamburg angelaufen sind“, beschreibt es Intendant Marmor.

Gesucht wird also ein Visionär und Vernetzer, ein Filmkenner und Konzernlenker. Und ein Zahlenmensch, denn die Bilanzen des Unternehmens lasen sich gerade in letzter Zeit nicht ohne Stirnrunzeln. Rund 13 Millionen Euro Miese machte die Studio Hamburg Gruppe im vergangenen Jahr, der Gesamtumsatz ging laut „Focus“ um neun Millionen auf 231 Millionen Euro zurück. Wobei diese Zahlen nicht berücksichtigen, dass neue Wirtschaftsprüfer die Besitztümer von Studio Hamburg deutlich abwerteten. Es sind also zum großen Teil weniger reale Geldverluste als eine Wertminderung der Bestände. Auch nicht schön, aber im Ergebnis weniger einschneidend. Fest steht, dass es bei Studio Hamburg weiterhin verstärkt darum gehen wird, in Inhalte zu investieren sowie in der Logistik Kosten einzusparen.

Fazit des scheidenden Bergengruen nach drei Jahren Amtszeit: „Ich bin zufrieden über den Punkt, an dem wir jetzt in dem Konzernumbau stehen. Aber dorthin zu kommen, war ein hartes Stück Arbeit.“ Auch sein Nachfolger wird kein leichtes Spiel haben.