Der Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung für die Hamburger Kunstsammlungen über den ideellen wie materiellen Einsatz der Stiftungsmitglieder. Und wie die Nachwuchsprobleme gelöst werden sollen.
Hamburg Heute stellt die Stiftung für die Hamburger Kunstsammlungen auf ihrem Jahresempfang die Werke vor, die in diesem Jahr für die beiden großen Kunstmuseen der Stadt erworben werden konnten. Vorab sprachen wir mit Bernd Kundrun, dem Kuratoriumsvorsitzenden der Stiftung.
Hamburger Abendblatt: Hamburg gilt als Deutschlands Stiftungshauptstadt. Bundesweit wird nirgendwo sonst so viel gestiftet wie hier. Was ist das Besondere an der Stiftung für die Hamburger Kunstsammlungen?
Bernd Kundrun: Es ist eine Stiftung von inzwischen gut 200 Bürgerinnen und Bürgern sowie der Wirtschaft – organisiert über die Handelskammer –, die die Hamburger Kunstmuseen zum Teil schon seit vielen Jahren unterstützen. Wir sind eine Gemeinschaft von Bürgern, in der jeder nach seinen finanziellen Möglichkeiten und seinen Ambitionen jedes Jahr stiftet und spendet, um dem Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) und der Kunsthalle, die für diese Häuser so wichtigen Neuanschaffungen von Kunstwerken zu ermöglichen.
Sie nehmen ja nicht jeden. Ist es richtig, dass Ihre Stifter pro Jahr mindestens 1000 Euro spenden müssen?
Kundrun: Wir reden eigentlich nicht gern über Mindestbeträge und Geld, aber Sie liegen nicht ganz falsch, die 1000 Euro sind ein Richtwert für den Einstieg. Wir haben zum Teil Stifter, die in einer langjährigen Tradition stehen und sich mit sehr viel höheren Beträgen engagieren. Und das entspricht durchaus auch unserer Tradition, denn schon bei der Gründung vor 57 Jahren waren so bedeutende Persönlichkeiten oder ihre Firmen wie Gerd Bucerius, Reemtsma, Beiersdorf oder Axel Springer dabei.
Ist es dadurch aber nicht ein recht geschlossener Kreis?
Kundrun Es ist ein Kreis, der sich dadurch schließt, dass sich hier Menschen zusammenfinden, die an Kunst interessiert sind und auch eine gewisse Passion dafür haben. Das gesellschaftliche Ereignis steht dabei wirklich im Hintergrund. Wir sind keine Event-Maschine, die ihren Mitgliedern permanent Angebote macht. Wir haben einige exklusive Veranstaltungen, in denen sich die Mitglieder mit Gleichgesinnten treffen können.
Die Stiftung wirkt fast ein wenig öffentlichkeitsscheu. Jedenfalls ist sie wesentlich weniger im allgemeinen Bewusstsein als die Hamburgische Kulturstiftung.
Kundrun: Wir wollen den Stifterkreis nicht maximieren, sondern achten sehr darauf, dass sich hier gleichgesinnte Menschen mit ähnlichen Interessen treffen und engagieren können. Es geht uns um langjährige und kontinuierliche Beziehungen unter den Stiftern und zwischen diesen und zu den beiden Museen. Gleichzeitig müssen wir aber auch darauf achten, dass sich die Stiftung von Generation zu Generation weiterentwickelt und dass die Altersstruktur ausgewogen bleibt. Deshalb haben wir auch jüngere Menschen im Fokus. Und so elitär sind wir auch wieder nicht: Uns ist jeder willkommen, der sich für Kunst interessiert und sich für die beiden Museen tatkräftig und finanziell engagieren möchte.
Haben Sie ein Nachwuchsproblem?
Kundrun: Ich glaube, dass fast alle traditionellen Institutionen gegenwärtig ein gewisses Nachwuchsproblem haben. Wir versuchen das u. a. dadurch zu lösen, dass wir uns auch gezielt an die nächsten Generationen im Familien- und Freundeskreis unserer Stifter wenden, durchaus mit Erfolg.
Als die Stiftung elf Jahre nach Kriegsende gegründet wurde, ging es vor allem darum, die enormen Verluste auszugleichen, die den Museen durch die Aktion „Entartete Kunst“ zugefügt worden sind. Was steht heute im Vordergrund?
Kundrun: Hamburg steht als Metropole auch kulturell im Wettbewerb mit anderen Metropolen. Im Gegensatz zu ehemaligen Residenzen wie München, Dresden oder Berlin ist Hamburg eine Bürgerstadt, deren Bürgermuseen lebendig gehalten werden müssen. Und deshalb müssen die Sammlungen auch die Möglichkeit haben, bedeutende zeitgenössische Kunstwerke zu erwerben sowie bestehende Lücken im Sammlungsbestand zu schließen. Wir haben zum Beispiel für die Galerie der Gegenwart seit ihrer Eröffnung etwa 50 wichtige Werke erwerben können. Aber das betrifft nicht nur Gegenwartskunst: Wenn sie aus der Kunsthalle und dem MKG alle Werke ausräumen würden, die die SHK in den letzten Jahrzehnten erworben hat, würden schmerzhafte Lücken klaffen.
Um wie viel Geld geht es?
Kundrun: In den letzten Jahren haben unsere Stifter ihre Zuwendungen kontinuierlich erhöht, sodass wir seit zwei Jahren bei jährlich etwa 500.000 Euro liegen. Der Senat erhöht dann diese Summe.
Noch einmal um den gleichen Betrag?
Kundrun: Das war früher so, aber durch den Anstieg der Spenden kann der Senat zurzeit nicht mehr in diesem Maßstab mitziehen, aber er legt noch einmal jährlich einen konstant hohen Betrag drauf, der auch angesichts der Sparzwänge der letzten Jahre nie in Zweifel gezogen wurde. Insgesamt liegen wir damit jetzt bei einem verlässlichen Budget von 750.000 bis 800.000 Euro.
Gibt es auch Sachstiftungen?
Kundrun: Ja, das hat es vor allem in den letzten Jahren vermehrt gegeben. Ich denke da zum Beispiel an Peter Schmidt, der letztes Jahr seine großartige Asiatika-Sammlung über unsere Stiftung dem Museum für Kunst und Gewerbe gestiftet hat. Soeben hat uns Dr. Wolfgang von Wangenheim einen bedeutenden Teil seiner Klassizismussammlung mit mehr als 80 Exponaten geschenkt. Unsere Stifter sind selber häufig Sammler, die zunehmend bereit sind, Teile ihrer Schätze an die Museen abzugeben. Wichtig ist natürlich, dass das, was die Sammler abgeben möchten, auch dem Sammlungsprofil und den Bedürfnissen der jeweiligen Museen entspricht.
Ursprünglich hat die Stiftung nicht nur die beiden Kunstmuseen bedacht, sondern zum Beispiel auch das Museum für Völkerkunde. Das wurde in den 70er-Jahren geändert. Ist die jetzige Beschränkung mit ihrem eurozentrischen Blick angesichts der enormen Wertschätzung, die außereuropäische Kunst inzwischen erfährt, noch zeitgemäß. In Berlin wird dafür das Humboldt-Forum erbaut, und auf dem internationalen Kunstmarkt erzielen entsprechende Werke Spitzenpreise.
Kundrun: Natürlich kann man alles immer wieder neu wägen, trotzdem halte ich die damalige Entscheidung für richtig. Denn wenn wir den uns jährlich zur Verfügung stehenden Betrag an einen wieder größeren Kreis von Empfängern aufteilen würden, könnten wir gerade angesichts der aktuellen Marktentwicklung mit den explodierenden Preisen viel weniger ausrichten. Es war übrigens nicht nur das Museum für Völkerkunde, ursprünglich hat die Stiftung alle staatlichen Museen Hamburgs gefördert. Wenn man das heute wieder täte, würden wir erheblich an Durchschlagskraft verlieren und uns verzetteln.
Was motiviert Ihre Stifter, so namhafte Beträge zu spenden?
Kundrun: Sie lieben diese Museen und betrachten sie als Orte, an denen man sich inspirieren lassen, Zeitreisen unternehmen kann und einen kulturellen Kontext erlebt, den es sonst nirgendwo gibt. Diese technisierte Zeit, in der wir einem sich ständig verstärkenden Informationsstakkato ausgesetzt sind, schreit geradezu nach einem solchen Kontrapunkt. Wenn unsere Stifter die Museen besuchen, haben sie zudem das Gefühl, dass der Ankauf zahlreicher Exponate durch sie ermöglicht worden ist. An vielen Werken steht der kleine, vornehm zurückhaltende Hinweis: Eigentum der Stiftung für die Hamburger Kunstsammlungen. Dadurch ist die Identifikation riesengroß.