Nach dem Bühnenunfall wird Karin Beiers für den Saisonstart inszenierter siebenstündiger Antikenmarathon „Die Rasenden“ am 18. Januar auf der technisch erneuerten Bühne Premiere haben.
Hamburg Letztlich ist alles dann doch noch recht glimpflich ausgegangen. Nachdem Ende Oktober der Eiserne Vorhang im Schauspielhaus nach oben gerast war und die Gegengewichte auf den Bühnenboden geschmettert sind, nachdem Proben und Premieren verschoben, Aufführungsorte verlegt und neue Zeitpläne erstellt werden mussten, steht nun fest, dass die lang erwartete Eröffnung der neuen Spielzeit am 18. Januar 2014 stattfinden wird.
Karin Beiers für den Saisonstart inszenierter siebenstündiger Antikenmarathon „Die Rasenden“, ursprünglich für den 15. November vorgesehen, wird dann auf der technisch erneuerten Bühne des Deutschen Schauspielhauses Premiere haben. „Die Verschiebung der Eröffnung tangiert unsere Pläne bis in den April“, sagte Intendantin Karin Beier am Montag auf einer Pressekonferenz, „damit wir aber nicht zu lange unsichtbar bleiben, zeigen wir vorab schon einiges im Malersaal und auf dem Gelände von Studio Hamburg.“
Die Veränderungen im Spielplan sind gravierend. Die mit den Premieren so genau durchdachte erste Spielzeit des neuen Teams wird nun anders verlaufen als geplant. Die erste, ursprünglich für die große Bühne geplante Premiere, Katie Mitchells Inszenierung „Alles Weitere kennen Sie aus dem Kino“, findet wie bereits angekündigt am 24. November auf dem Gelände von Studio Hamburg statt. Shakespeares „Der Sturm“ (Regie: Maja Kleczewska) ursprünglich für den 7. Dezember geplant, hat nun, fünf Tage nach der Eröffnung, am 23. Januar auf der Schauspielhausbühne Premiere, „Die Ballade vom Fliegenden Holländer“, inszeniert von Sebastian Baumgarten, kommt dann am 8. Februar dort heraus. „Der Idiot“, inszeniert von Karin Henkel, wird auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, ebenso „Pfeffersäcke im Zuckerland & strahlende Verfolger“.
„Der Gott des Gemetzels“ ehemals für die große Bühne vorgesehen, wird nun in den Malersaal verlegt. Premiere ist am 18. Dezember. Und Karin Henkels Romanadaption von Dostojewskis „Schuld und Sühne“ wird in veränderter, verkleinerter Form mit ihrem ersten Teil unter dem Titel „Schuld“ am 30. Januar 2014 Premiere im Malersaal haben. Einer der Gründe für die Veränderung ist, dass Regisseurin Henkel und Regisseurin Beier fast mit denselben Schauspielern arbeiten. Karin Henkel kann nicht proben, wenn Karin Beier in den Endproben zu „Die Rasenden“ steckt.
Zusätzlich kommen im Dezember einige Aufführungen in den Malersaal, darunter „Die Mission“ mit Aljoscha Stadelmann. Und Markus John wird sein bereits in Köln gezeigtes Ein-Personen-Stück „Foxi, Jussuf und Edeltraud“ spielen, in dem er einem Taxifahrer, einem Museumswärter und einer Hausfrau seine Stimme und Person leiht. Die größte Herausforderung für das neue Schauspielhausteam bestand darin, die Probentermine so zu koordinieren, dass jede Inszenierung genug Zeit auf der Bühne bekommt und dass die Terminpläne der Regisseure, die auch andernorts inszenieren, halbwegs gehalten werden können.
Es heißt ja, jeder Nachteil habe einen Vorteil. „Worin der Vorteil dieser Bühnenhavarie liegt, habe ich bisher noch nicht erkennen können“, sagte Intendantin Karin Beier. „Ich habe allerdings die wirklich tolle Reaktion der Hamburger kennengelernt. Nicht nur, dass uns Institute wie das Thalia, Kampnagel oder die Kunsthalle spontan ihre Hilfe angeboten haben. Auch die Besucher, die beispielsweise gerade ein neues Abonnement abgeschlossen haben, waren mehr als verständnisvoll.“
„Der Bauschaden wird rund 200.000 Euro betragen“, erklärte der Kaufmännische Direktor Peter F. Raddatz am Montag. „Das betrifft die Reparatur des historischen Eisernen Vorhangs, und dagegen sind wir versichert. Viel gravierender ist aber der Gesamtschaden, der rund 1,5 Millionen ausmacht. Dieser Schaden geht vor Gericht, und es kann sich über Jahre hinziehen, bis feststeht, wer die Schuld an dem Bühnenunfall trägt.“
Zum Gesamtschaden zählen die Kosten, die für die Anmietung neuer Räume anfallen, beispielsweise das Atelier im Studio Hamburg. Durch die Verschiebung des Eröffnungstermins können deutlich weniger Vorstellungen gespielt werden, was zu Einnahmeausfällen führt. Ebenso die Verlagerung von der großen Bühne in den Malersaal, der deutlich weniger Publikum fasst. Für diese Kosten muss das Schauspielhaus oder die Stadt in Vorleistung gehen.
Eine für Zuschauer und Mitarbeiter tragfähige Lösung scheint gefunden. Am 24. Januar, eine Woche nach Teil eins, soll bereits der zweite Teil von „Die Rasenden“ im Schauspielhaus über die Bühne gehen.
„Das Schlimmste für uns alle ist jetzt“, so Intendantin Karin Beier, „dass wir in den Startlöchern stehen und nicht losrennen können.“ Die größte Kunst besteht derzeit darin, geduldig abzuwarten.