Die Entertainerin und Musikerin hat ein neues Album veröffentlicht. Es heißt so wie Ina Müller alt ist: „48“. Im Interview spricht sie über die Tücken des Alters und den morgendlichen Blick in den Spiegel.

Hamburg Ina Müller ist vor der Kamera eine Gute-Laune-Maschine. Immer unter Strom, nie um einen flotten Spruch verlegen und dabei so angenehm unberechenbar, dass ihre Auftritte im weich gespülten Fernseheinerlei einsam herausragen. Aus der Dreifaltigkeit saufen–singen–sabbeln, ihren nach Selbsteinschätzung größten Talenten, hat sie ein Konzept geschmiedet, das mit „Inas Nacht“ wunderbar aufgeht. Aber zwischendurch spielt Ina Müller immer wieder CDs ein. Mit manchmal augenzwinkernden, immer sehr persönlichen Liedern, die auch eine andere Seite der Bauerstochter zeigen. Nachdenkliche Lieder über die Liebe und das Leben, über die eigene Kindheit. Aber auf dem aktuellen Album „48“ gibt es auch Amüsantes, etwa über Internet-Bestelllust als gar nicht mal so üblen Sex-Ersatz. Am 25. April kommenden Jahres gibt Ina Müller ein Konzert in der Hamburger O2 World.

Hamburger Abendblatt: Sie haben Ihr neues Album „48“ genannt, das Alter mit all seinen Konsequenzen ist eines der zentralen Themen. Haben Sie ein Problem damit, auf die 50 zuzugehen?

Ina Müller: Nach der Dusche schaut man in den Spiegel und findet sich eigentlich toll, aber wenn man dann die Brille aufsetzt, kommt der große Schock. Ich glaube, die Natur hat es so eingerichtet, dass mit dem Verfall unserer Haut auch die Augen schlechter werden. Sodass wir das Elend nicht morgens schon sehen und der Tag damit gegessen ist. Die Natur ist schlau.

Sie kokettieren.

Müller: Nein. Wenn ich morgens aufstehe, muss ich die Wassereinlagerungen unter den Augen wegklopfen. Der Song „Spieglein, Spieglein“, auf den Sie anspielen, ist natürlich auch etwas selbstironisch. Für einen selbstbewussten Mann, der vielleicht noch an ganz anderen Stellen Wassereinlagerungen hat, ist das oft kein Problem. Frauen sind da schneller unsicher.

Ist Selbstironie Ihre Strategie, sich die Dinge vom Leib zu halten?

Müller: Ironie ist vor allem etwas für Leute, die keine Haltung haben. Wer immer ironisch ist, muss sich zu nichts bekennen. Aber das langweilt mich. Ich erzähle in meinen Liedern viel von mir. Über verstorbene Freunde und andere Einschusslöcher des Lebens. Aber manchmal arbeite auch ich mit Ironie, und alles will man als Hörer ja auch nicht wissen. Lieder über die Wechseljahre zum Beispiel. Vielleicht mach ich das in vier Jahren mal, aber nicht jetzt. Vielleicht sage ich aber auch in vier Jahren: Alle schönen Themen hast du jetzt besungen, ich mach gar keine Alben mehr.

Warum gehen Sie so offensiv mit Ihrem Alter um und betiteln Ihre CD sogar „48“?

Müller: Ich bin 48, mein Körper fühlt sich an wie 48, er sieht aus wie 48 und er benimmt sich auch wie 48. Im Kopf bin ich sicher jünger, klar. Meine Tanten standen mit Ende 40 im Faltenrock in der Küche und trockneten bei Geburtstagen das Geschirr ab. Für mich waren sie alt. Ich glaube, wir bleiben heute länger jung in unserer Haltung, nur körperlich machen wir uns was vor. Wir sind im Fitness- und Schönheitswahn und wollen den Alterungsprozess aufhalten. Aber operierte Frauen mit 50 sehen eben nicht aus wie 40, sondern wie operierte Frauen mit 50. Ich merke mein Alter an kleinen Wehwehchen, an Gewichtszunahme, in den Gelenken. Allerdings neige ich zu übersteigerter Selbstbeobachtung.

Wären Sie gern 20 Jahre jünger?

Müller: Es gibt viele Frauen, denen wird es nie wieder so gut gehen wie mit 28. Die waren damals heiße Feger, hatten überall Chancen, das Familienleben wurde geplant, die Liebe des Lebens gefunden. Und es gibt Frauen, da findet das mit 48 statt. Ich fand mich mit 28 nicht so gut wie heute und hab deshalb kein Interesse daran, 20 Jahre jünger zu sein.

Vor allem in Ihrer Sendung „Inas Nacht“ kommen Sie so maximal gut gelaunt rüber, dass man sich fragt: Gibt es eigentlich auch noch eine andere, eine stille Ina Müller?

Müller: Ich fühle mich in der Sendung sehr sicher. Es ist mein Abend, meine Kneipe, ich kenne die Gäste und bin super vorbereitet. Ich freue mich auf alles, was da kommt. Ich kann mit dem Bus hinfahren. Würde ich nach der Sendung in eine angesagte Bar in der Schanze gehen, wo nur Szeneleute rumsitzen, dann würde ich mich nicht mehr so wohlfühlen. Dann ginge mein Selbstbewusstsein ganz schnell in den Keller. In der Sendung kann mir nichts passieren, es kann nur toll werden. Klar, man könnte die Sendung langsamer und leiser machen, aber von solchen Sendungen haben wir im Fernsehen ja schon eine ganze Menge.

Was bedeutet, dass Ihnen die Primetime im öffentlich-rechtlichen Fernsehen weitgehend verschlossen bleibt.

Müller: Ich habe doch einiges ausprobiert, und dann festgestellt, dass eine Sendung um Viertel nach acht nichts für mich ist, weil ich da nicht sein darf, wie ich sein möchte. Am Endes des Tages komme ich immer wieder auf „Inas Nacht“ zurück, da mache ich, was ich wirklich gut kann: saufen, singen, sabbeln.

Haben Sie eigentlich noch Lampenfieber?

Müller: Vor „Inas Nacht“ überhaupt nicht, aber vor den Konzerten sehr. In der 02 World stehe ich vor 11.000 Leuten und da müssen mir die Texte einfallen, da müssen die Gags funktionieren. Ich bin traumatisiert, denn ich habe mal als Kind auf einem Richtfest ein Gedicht vergessen. Ein Erlebnis, das mich bis heute verfolgt. Deshalb wusste ich schon mit sieben Jahren, was ein Hänger ist. Ich stand da unten und war in Tränen, und mein Vater stand auf dem Richtfest-Dach und schrie immer runter „Nimm doch den Zettel, du dummes Ding“. Nur, ich hatte den Zettel nicht dabei. Seitdem hab ich Angst vorm Versagen. Und mich überwältigt live oft die Kulisse. Ich komme raus, sehe die vielen Menschen und muss erst mal weinen.

Wir siezen uns hier, aber das dürfte eine Ausnahme sein, die volksnahe, lustige, freche Ina Müller ist irgendwie „Du“, oder?

Müller: Das stimmt.

Gibt es denn Menschen, die Sie gerne siezen würden, um auf Distanz zu gehen?

Müller: Nein, Arschlöcher, die ich nicht duzen möchte und die mich bitte siezen sollen, mit denen arbeite ich schon lange nicht mehr zusammen.