Das neue Album „48“ ist ihr erstes Gemeinschaftswerk. Ina Müller über Komponieren am Küchentisch, Online-Kauf bei Zalando und warum Sex bei getrennten Betten spannender ist.
Hamburg. Als Frau jenseits der 45 im Showgeschäft – für Ina Müller ist das offensichtlich kein Problem: Ganz groß prangt die „48“ auf dem Cover ihres neuen Albums. „Ich akzeptiere es. Ich habe aber das Gefühl, das Altern an sich kommt schubweise“, sagt die Hamburger Entertainerin. „Ganz lange merkt man nichts, und auf einmal – zack – schlägt es zu. Ich hoffe, dass der nächste Schub noch etwas hin ist.“
Die Powerfrau aus dem hohen Norden, die sich als Kabarettistin, Sängerin und Moderatorin Fans in ganz Deutschland eroberte, feierte ihren 48. vor genau drei Monaten. „Ich entdecke jeden Tag neue, kleine körperliche Veränderungen“, sagte sie. „Nicht schlimm, aber mit dem Vergrößerungsspiegel gut sichtbar.“
Die Frau, die in der ARD-Sendung „Inas Nacht“ mit ihren Gästen am Tresen einer winzigen Hafenkneipe (Schellfischposten) talkt, ist bekannt für ihre große Klappe und ihren oft derben Humor. Komisch und selbstironisch, vor allem wieder mit bestem Wortwitz präsentiert sie sich auf ihrem vierten Soloalbum nach „Müllerinart“.
An den Texten arbeitete sie erneut gemeinsam mit Frank Ramond (Annett Louisan, Barbara Schöneberger). An der Musik jedoch mit einem Kollegen, den sie dafür zunächst nicht ins Auge gefasst hatte – obwohl er ihr näher ist als jeder andere: ihr Freund Johannes Oerding. Der 31 Jahre alte Singer/Songwriter schaffte jüngst bei Stefan Raabs Bundesvision Song Contest mit „Nichts geht mehr“ den zweiten Platz.
„Auch wenn ich seine Musik liebe, hatte ich am Anfang Bedenken, mit Johannes zusammenzuarbeiten. Ich dachte, das geht vielleicht nicht gut, führt zu Streitereien und endet im Beleidigtsein und Trennung“, erzählt seine Freundin. „Doch dann hörte ich die ersten Songs von ihm, zu den ich wie geflasht durch die Küche tanzte, und wusste sofort: Das machen wir! Wir saßen viele Stunden an meinem Küchentisch und haben zusammen komponiert – es hat wunderbar funktioniert und verlief erstaunlicherweise ganz harmonisch.“ Mal poppig, mal rockig, mal gefühlvolle Ballade – die meisten der 13 Lieder entstanden am Küchentisch der Musikerin – in ihrer eigenen Wohnung, auf die sie nach wie vor besteht.
„Ich glaube, man darf in der ersten, hormonvernebelten Wahnsinnszeit nicht den Fehler machen, zusammenzuziehen“, sagt die Sängerin mit der rauen Stimme. „Am Anfang will man ja am liebsten zusammenwachsen. Aber das bleibt zum Glück nicht ewig so“, meint sie. „Ich will mich weiterhin mit meinem Freund verabreden müssen. Ich sehe ihn oft – aber kontrolliert.“ Einen Namen dafür hat Müller auch: „Ich nenne das ,Optimierte Lebensform’. Liebe, ohne seine Wäsche waschen zu müssen“, erklärt Müller, die selten ein Blatt vor den Mund nimmt und als TV-Talkerin ihre Gäste gern mit respektlosen Fragen überrascht. „Außerdem finde ich, dass die sexuelle Energie aus der Neugier erwächst.“
Thematisch geht es auf „48“ um das Leben und den Tod ebenso wie um Liebe, Lust und Laster. Die norddeutsche Quasselstrippe mit dem herzhaften Lachen singt Zeilen wie „Aktien geh'n oft in die Knie, nur Schuhe enttäuschen dich nie“ und erklärt: „Schuhe passen halt immer – egal, wie viele Pfunde mehr oder weniger man gerade hat. Schuhe, Handtaschen, Schmuck und Tattoos gehen immer.“ Auch Zeilen wie „Weder Robbie noch Til Schweiger noch Orlando – sie schreit nur noch bei Zalando“ sind ihr durchaus privat vertraut: „Ich bestelle fast nur noch online – und nicht nur Schuhe. Das ist bequem, spart viel Zeit und man kann es zu jeder Tages- und Nachtzeit machen.“
In der Nähe von Cuxhaven in einer Landwirtfamilie aufgewachsen, singt sie über ihre Jugend und „5 Schwestern auf 'm Hof – Zank und Zoff in 'nem Dreibettzimmer“. In die Gegenwart kehrt sie zurück, wenn sie fragt: „Spieglein, Spieglein an der Wand, was zur Hölle ist passiert? Ich hätte mich fast selbst nicht erkannt, mein Gesicht ist kollabiert... Selbst meine Falten können mein Make-up nicht mehr halten.“
Solche Momente kenne sie nicht nur morgens im Badezimmer. „Als ich neulich ungeschminkt – so gehe ich privat am liebsten aus dem Haus – einkaufen war, fragte ein Verkäufer in einem Kaufhaus gleich besorgt: Geht es Ihnen nicht gut, Frau Müller? Wollen Sie sich setzen?“ Mit 48 hat sie das nicht nötig – wie „48“ zeigt.