Der britische Künstler lieferte in der O2-World eine Show aus Musik, Licht, Video und Bühnenarchitektur. Im Vorprogramm präsentierte er die schwedischen Musikerinnen Jennie Abrahamson und Linnea Olsson.

Hamburg. Um Punkt 20 Uhr betritt Peter Gabriel die Bühne der O2-World-Arena und kündigt Jennie Abrahamson und Linnea Olsson an. Das sind zwei junge schwedische Musikerinnen, die eine spielt Cello, die andere Keyboards, singen können beide. Gabriels auf Deutsch gesprochene Moderation hat etwas von einem gütigen Onkel, Glamour umgibt ihn nicht gerade. Dabei zählt er zu den überragenden und erfolgreichsten Figuren der populären Musik. Doch Peter Gabriel ist immer jemand gewesen, der sich für andere eingesetzt hat in seinem sozialen und politischen Engagement genauso wie in seinen künstlerischen Aktivitäten. Auf seinem Real-World-Label hat er Musiker aus entlegenen Gegenden der Welt veröffentlicht und westlichen Ohren zugängig gemacht. Da ist es eine Selbstverständlichkeit für ihn, die beiden Schwedinnen nicht ins kalte Wasser springen zu lassen, denn immerhin sind 13.000 Zuhörer in die seit Langem ausverkaufte Halle gekommen.

Auch Gabriels Konzert eine Dreiviertelstunde später beginnt im Plauderton. Nur mit seinem Bassisten Tony Levin, einem Mitstreiter seit den 70er-Jahren, kommt er in einem mittelalterlich anmutenden dunklen Wams auf die Bühne und kündigt die Menüfolge des Abends an: Vorspeise, Hauptspeise und als Dessert das komplette Album „So“, mit mehr als 6,5 Millionen verkauften Tonträgern seine erfolgreichste Platte. Die Vorspeise wird zum kleinen Happen, Gabriel am Klavier und Levin spielen einen Song, der noch in der Entstehung ist und der den Arbeitstitel „O But“ trägt. Dann kommt der Rest der Band aus der Garderobe und wird ebenfalls vorgestellt: Mit dem Gitarristen David Rhodes ist ein weiterer langjähriger Mitstreiter dabei, am Schlagzeug sitzt Manu Katché, einer der überragenden Trommler der Rock- und Jazz-Szene, das Akkordeon, Keyboards und ein paar andere Instrumente bedient David Sancious, ein früheres Mitglied von Bruce Spingsteens Band.

„Come Talk To Me“ und „Shock The Monkey“ sind die ersten Nummern des Abends. Das Saallicht bleibt an, die riesige Videoleinwand im Hintergrund ist nur graue Fläche, leichte Irritation bei den Zuschauern. Mit „Family Snapshot“ geht es weiter, mitten drin legt Gabriel den Lichtschalter um, Projektionen laufen über die LED-Monitore, Dutzende von Scheinwerfern flammen auf, die Show hat begonnen. Konzerte des englischen Popkünstlers waren immer ausgeklügelte Gesamtkunstwerke aus Musik, Licht, Video und Bühnenarchitektur. Das ist an diesem Abend nicht anders. Eindrucksvoll zum Beispiel sind die sechs Kräne, die von Technikern über die Bühne geschoben werden und mit ihren Scheinwerfern wie bedrohliche Fabelwesen aussehen. Seinen frühen Hit „Solsbury Hill“ hat er ebenso ins Repertoire genommen wie „Secret World“ und „Digging In The Dirt“. In diesem „Hauptgericht“ der Show setzt Gabriel auf eine Schwarz-Weiß-Ästhetik, blutrot verfärbt sich die Leinwand beim „Dessert“, das aufgrund seiner Bedeutung eigentlich ein weiteres Hauptgericht ist.

„Red Rain“ eröffnete 1986 „So“, Gabriels fünftes Studioalbum, und auch in Hamburg steht es am Beginn von Konzertteil Nummer drei. Wie viele andere arrivierte Kollegen präsentiert auch Gabriel sein erfolgreichstes Studioalbum in Gänze und in derselben Reihenfolge wie damals aufgenommen. Mit „Sledgehammer“, einer Hommage an Otis Redding und die Soulsänger des amerikanischen Südens, hält es niemanden mehr auf den Sitzen. Katché spielt den krachenden Grundbeat, die schneidenden Bläser-Riffs der Memphis Horns kommen diesmal vom Band, die Arena verwandelt sich in einen Tanztempel. „Mercy Street“ singt Gabriel auf dem Rücken liegend, die Ballade „Don’t Give Up“, im Original mit Kate Bush aufgenommen, interpretiert der kahlköpfige Sänger im Duett mit Jennie Abrahamson. Die Schwedin, zusammen mit Linnea Olsson als Backgroundsängerin dabei, überzeugt erneut mit vokaler Brillanz.

Als Nachtisch gibt es dann in der Zugabe „The Tower That Ate The People“, das Gabriel im Jahr 2000 für die Londoner „Millennium Dome Show“ komponiert hat, und zum wirklich krönenden Abschluss „Biko“. Das Lied von Gabriels drittem Soloalbum über den im Gefängnis ermordeten südafrikanischen Anti-Apartheid-Kämpfer Steve Biko widmet Gabriel all jenen, die sich mutig gegen Unterdrückung und Unrecht auflehnen. Am Ende dieses großartigen Abends bekommt die Show noch einmal eine deutlich politische Komponente. Aber auch das zeichnet diesen visionären Popkünstler und Menschenfreund aus: Peter Gabriel besitzt Haltung und das Publikum folgt ihm dabei. Mit Inbrunst singt es den Refrain dieses Protestlieds mit.