Schauspielerin Isabella Rossellini stellt in Hamburg einen Bildband über ihre Mutter Ingrid Bergman vor

Hamburg. Mama. Wenn Isabella Rossellini das Wort ausspricht, wird ihr Gesicht ganz weich, ein Lächeln umspielt die Lippen. Es klingt wie ein Kosewort, zärtlich und vertraut. Vielleicht ist sie in diesen Momenten wieder das kleine Mädchen, das sie vor knapp 60 Jahren war, lang, lang ist’s her. Und Mama – das ist schließlich nicht irgendjemand. Ingrid Bergman war der große weibliche Filmstar des 20. Jahrhunderts. Dreifache Oscar-Preisträgerin, Ikone des Neorealismus, auf ewig untrennbar verbunden mit Humphrey Bogart und „Ich schau dir in die Augen, Kleines“. Mit „Casablanca“, dem wohl größten Klassiker der Filmgeschichte. „Wenn die Kamera auf dieses Gesicht zufährt und Ingrid Bergman sagt zu dir, sie liebt dich — da würde jeder wie ein Romantiker aussehen“, hat Bogart einst gesagt.

„Ingrid Bergman — Ein Leben in Bildern“ hat Isabella Rossellini den Fotoband über ihre berühmte Mutter betitelt. Es ist ein Leben, das locker Stoff für drei Existenzen geboten hätte; nicht zu knapp ausgestattet mit Liebe, Erfolg, Drama. Kein Wunder, dass die ausgewählten Bilder — auch nachdem Rossellini und Verleger Lothar Schirmer sich auf die gefühlt unverzichtbaren Fotos konzentrierten — weit mehr als 500 Seiten füllen. Einen ersten Eindruck gibt Isabella Rossellini an diesem Freitag im Spiegelsaal des Museums für Hamburgische Geschichte, in dem sich Journalisten und Fotografen knubbeln wie auf einem Boy-Group-Konzert. Sogar ein Vertreter der schwedischen Presse ist angereist. Denn es ist natürlich ein besonderer Moment, wenn die Tochter, selbst längst als Schauspielerin weltberühmt, die vielleicht noch einen Tick berühmtere Mutter für eine Weile wiederauferstehen lässt. Fotografien huschen im Sekundentakt über die Leinwand, Ingrid Bergman mit ihren Zwillingen in Tragetaschen, an den Füßen bequeme Sandalen. Ingrid Bergman in einer Drehpause am „Casablanca“-Set, vertieft in ein Gespräch mit Filmpartner Bogart. Ingrid Bergman in sehr jungen Jahren, die es schon als kleines Mädchen über alles liebte, sich zu verkleiden. Isabella Rossellini findet für jedes Foto eine klitzekleine Anekdote — in makellosem Englisch, in das sich auch nach all den Jahren in den USA immer ein erdschwerer italienischer Zungenschlag durchmogelt. Zu ihrem Porzellanteint hat sie einen baumelnden Ohrschmuck und eine Perlenkette kombiniert. Ihre Laune ist bestens; sie könnte, so scheint es, das wuchtige Werk Seite für Seite einzeln durchblättern und in Erinnerung schwelgen. „Sie war eine wundervolle Mutter, sie liebte Kinder“, sagt Rossellini. Oder auch: „Meine Mutter war sehr professionell, aber wir Kinder haben die Paparazzi damals als sehr unangenehm empfunden, sie haben uns stark bedrängt.“ Aber selbst jene Paparazzi-Fotos, die ebenfalls im Buch auftauchen, sind überaus sehenswert. Weil sie mal Anspannung offenbaren in einem harten Zug um den Mund, mal ein gelöstes Lachen im Gesicht der Schauspielerin. Die vielleicht größte Überraschung an diesem Vormittag: Wie viel lebendiger Ingrid Bergman ist als die marmorne Erscheinung, die sich der Erinnerung eingemeißelt hat.

Weit weniger bekannt als ihre Ehe mit Roberto Rossellini, dem großen Regisseur des Neorealismus und Vater der Zwillinge Isabella und Isotta-Ingrid, weniger bekannt als ihre Zusammenarbeit mit Alfred Hitchcock, Sidney Lumet und George Cukor, ist die Tatsache, dass Ingrid Bergmans Mutter Friedel aus Hamburg stammte, einst in der Grindelallee lebte. Sie habe ihre Großmutter leider nie kennengelernt, sagt Isabella Rossellini und lächelt bedauernd. Eine Handvoll Schwarz-Weiß-Fotos müssen die persönliche Begegnung notdürftig ersetzen. Mit Erinnerungen an die Mutter ist Rossellini dagegen übervoll, wie sie sagt. Persönliche Erlebnisse sowie auf Zelluloid gebanntes Kino-Allgemeingut. Da sind die langen Sommer mit der Familie im schwedischen Ferienhaus, in denen man die Tage verbummelte, abends aß, was immer man geangelt hatte. Und da sind Filme wie Hitchcocks „Notorious“, der zu den liebsten Filmen von Isabella Rossellini zählt. „Die Chemie zwischen meiner Mutter und Cary Grant ist einfach unglaublich“, sagt sie. Es war auch die Gabe, knisternde Spannung und Emotionen heraufzubeschwören, alle Verletzlichkeit der Welt in einen einzigen Blick zu legen, die Ingrid Bergman so unvergleichlich machte.

Drei Jahre arbeiteten Rosselini und Verleger Schirmer an dem Bildband

Drei Jahre dauerte die Arbeit an „Ingrid Bergman — Ein Leben in Bildern“, in denen die Tochter zusammen mit Verleger Schirmer das Bergman-Archiv durchstöberte, Aufnahmen der berühmten Magnum-Fotografen sichtete und nicht zuletzt die ledergebundenen Familienalben von Roberto Rossellini verwertete, in die Ingrid Bergman selbst Jahr für Jahr fleißig Schnappschüsse geklebt hatte. Eine bestechende Mischung aus Filmgeschichte und Familiengeschichte ist dieses Buch geworden, aus Privatperson und öffentlichem Bild — auch weil die Grenze zwischen Familienaufnahmen und professionellen Shootings im Hause Bergman-Rossellini stets fließend war: Ingrid Bergman war mit Robert Capa eng befreundet , Roberto Rossellini wiederum verband eine tiefe Freundschaft mit Henri Cartier-Bresson. Dieser Fotoband ist mehr als eine Hochglanz-Hommage an die im August 1982 verstorbene Ingrid Bergman. Es ist auch eine Liebeserklärung an das Kino. Ein Kino, das verschwunden ist, seit es Schauspielerinnen wie Bergman nicht mehr gibt.

Es ist stets spürbar, wie stolz Isabella Rossellini auf ihre Mutter ist. Auf die innere Stärke und Unnachgiebigkeit von Ingrid Bergman, die sich selbst von Hollywood nicht verbiegen ließ. David O. Selznick, Hollywoods Mega-Produzent, wollte den Look der Schauspielerin ändern, andere Augenbrauen, bessere Figur. Ohne mich, sagte Ingrid Bergman, erzählt Rossellini. „Nehmt mich, wie ich bin — oder ich bin wieder weg“, soll sie gesagt haben. Also machte Bergman als Typ „natürlicher Star“, als „Girl Next Door“ in Hollywood Karriere. „Starke Frau“ nennt man so etwas heute. „Ich glaube, es war die Mischung aus Härte und Zerbrechlichkeit, die meine Mutter so besonders gemacht hat“, sagt Rossellini. „So war sie als Schauspielerin und so war sie auch in Wirklichkeit.“

„Ingrid Bergman — Ein Leben in Bildern“, Herausgegeben von Isabella Rossellini und Lothar Schirmer“, 528 S., 98 €. Am Sonnabend 14–15 Uhr gibt es eine Signierstunde mit Rossellini im cohen+dobernigg Buchhandel (Sternstraße 4). Bei der Abschlussveranstaltung des Filmfests übergibt sie ab 20 Uhr im Cinemaxx Dammtor den Drehbuchpreis.