Jugendliche aus dem Kopenhagener Stadtteil Sydhavnen (Südhafen) und aus Wilhelmsburg haben ihre Heimatbezirke fotografisch erkundet. Das Hamburg Museum zeigt ihre Bilder in einer Open-Air-Ausstellung in den Wallanlagen.

Hamburg Museum/Wallanlagen Die Kamera verändert den Blick, sie schafft Distanz und erzwingt Konzentration. Vertraute Dinge erscheinen in neuem Licht, scheinbar Nebensächliches gewinnt unversehens an Bedeutung und manches, was man im Alltag leicht übersieht, gerät plötzlich ins Blickfeld. Erfahrungen dieser Art machten acht Jugendliche aus Kopenhagen und zwölf ihrer Altersgenossen aus Hamburg, die ihre jeweiligen Heimatbezirke fotografisch erkundet haben. Die Ergebnisse sind jetzt in den Wallanlagen gleich neben dem Hamburg Museum in der Open-Air-Ausstellung „Wilhelmsburg - Sydhavnen“ zu sehen. Es gibt eine ganze Reihe von Parallelen zwischen Wilhelmsburg und dem Kopenhagener Stadtteil Sydhavnen (Südhafen). Hier wie dort ist der Anteil der Migranten groß, leben viele Menschen mit geringem Einkommen, andererseits vollzieht sich ein städtebaulicher Wandel, der über lange Zeit gewachsene Strukturen zu verändern beginnt. „Wir sind überrascht von der Qualität und der Präzision der Fotos aus beiden Städten, die durch die Statements der Jugendlichen zusätzlich erläutert werden. Es ist erstaunlich, wie sehr sich der Blick schärft, wenn Jugendliche eine Kamera in die Hand nehmen“, sagt Lisa Kosok, die Direktorin des Hamburg Museums, die die Ausstellung in Kooperation mit dem Kopenhagener Stadtmuseum initiiert hat.

Der Hamburger Beitrag geht auf den Workshop „Wirsindwilhlemsburg“ zurück, der mit Unterstützung der Stiftung Berufliche Bildung und dem im Stadtteil Kirchdorf ansässigen Media Dock durchgeführt wurde. Unter fachliche Anleitung des renommierten Fotografen Andreas Herzau erarbeiteten zwölf Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund vom 21. bis zum 25. Mai ein fotografisches Statement zu ihrem Heimatstadtteil. Jeden Morgen trafen sie sich, sahen die am Vortag entstandenen Bilder durch und besprachen mit Herzau fotografische Strategien, Sichtweisen und Motivgestaltungen. „Am Anfang fiel es den meisten von ihnen schwer, Menschen zu fotografieren. Auf den ersten Fotos sahen wir daher fast nur Häuser und Straßen, doch mit der Zeit verloren die Teilnehmer ihre Scheu und fotografierten immer häufiger Straßenszene. Zeitweise haben wir auch die Vorgabe gemacht, dass auf jedem Bild ein Mensch zu sehen sein muss“, sagt Andreas Herzaus Assistent Lukas Thiele bei der Vorstellung des Projekts im Hamburg Museum.

Die Bilder, die den Sommer über auf dem Mozart Plads in Kopenhagen zu sehen waren und ab jetzt bis zum 20. Oktober in den Wallanlagen direkt rechts neben dem Hamburg Museum, ausgestellt sind, zeigen ein ambivalentes Bild über das Leben in den beiden Stadtteilen. Einerseits sieht man Spuren der Vernachlässigung, Müll auf den Straßen, triste Häuser und Betonfassaden, andererseits aber auch Großstadtidyllen und Orte, an denen Menschen sich eingerichtet haben und sich heimisch fühlen. Schlaglichtartig zeigen die Bilder Fragmente des Alltags: einen türkischen Gemüsehändler zum Beispiel, der auf einer Wilhelmsburger Straße seine Auslagen bestückt oder einen Migranten, der das Gleiche in einem Supermarkt in Sydhavnen tut.

Bei manchen Bildern spürt der Betrachter aber auch das Bemühen nach origineller Komposition und einen gestalterischen Anspruch. Dabei haben die meisten der Jugendlichen zuvor nur mit dem Handy fotografiert, einige hielten überhaupt zum ersten mal eine Kamera in den Händen. Doch ebenso wichtig wie die Bilder selbst sind die Statements der Jugendlichen, die ihres Fotos damit kommentieren und zugleich ein Stück ihres Lebensgefühl zum Ausdruck bringen. „Es gibt in Wilhelmsburg verschiedene Ecken, schöne und nicht so schöne. Generell finde icj es aber schöner, als man es vom Hörensagen kennt“, resümiert zum Beispiel die 21 Jahre alte Sarah Diercks, die unter anderen Kleingärten unmittelbar vor dem Containerhafen fotografiert hat. Bisher haben sich die Kopenhagener und die Hamburger Jugendlichen noch nicht persönlich austauschen können, doch das ändert sich an diesem Sonnabend. Ab 15.00 Uhr gibt es in der Open-Air-Ausstellung ein Get Together mit den Fotografen aus Wilhelmsburg und Sydhavnen bei Kaffee, Kuchen und Getränken, zu dem auch alle Ausstellungsbesucher herzlich eingeladen sind.

Wilhelmsburg - Sydhavnen. Open-Air-Ausstellung hinter dem Hamburg Museum in en Wallanlagen, tgl. 7.00–22.00, Eintritt frei