Er ist der Manni aus „Heiße Ecke“. Jetzt spielt Götz Fuhrmann im Schmidt Theater den Käpt’n in der Musicalkomödie „Die Königs vom Kiez“. Für den Schauspieler, seit 1991 am Schmidts Tivoli, auch eine Sozialstudie.

Schmidt. Halbglatze mit fettigen langen Seitenhaaren, ein verschmiertes weißes Unterhemd, darüber ein altes Karotweed, tätowierte Unterarme, verwaschene Jeans und ausgelatschte Turnschuhe. Auch solch ein Typ wollte kürzlich, am 8. August, beim groß gefeierten 25. Geburtstag in den VIP-Bereich des Schmidt Theaters. Die Sicherheitsleute ließen ihn nicht durch. Götz Fuhrmann konnte es verschmerzen. Zeigte ihm der Vorfall doch, wie glaubhaft er seine Rolle schon zu jenem Zeitpunkt ausfüllte.

Szenenwechsel: Zinos Lounge am Friesenweg. Im Dinner-Theater in Bahrenfeld proben sieben Darsteller. Einer von ihnen ist Fuhrmann. In der neuen Hausproduktion des Schmidt Theaters „Die Königs vom Kiez“ spielt er den Käpt’n König, das Oberhaupt der Familie König. Die ist chronisch klamm, lebt zu siebt – mit bettlägriger Oma, vier Kindern und einem Baby („Brutus II“) der 15-jährigen Tochter Pamela – in einer Souterrainwohnung auf St.Pauli, erklärt Regisseur Corny Littmann. Und Käpt’n König ist meistens betrunken, gilt als arbeitsscheu und wirft das wenige Geld gleich wieder zum Fenster raus. Jetzt droht sogar die Zwangsräumung – 7500 Euro Mietrückstand.

König alias Fuhrmann torkelt die Treppe runter und fällt auf den Teppich. Er scheint seinen Rausch ausschlafen zu wollen. Als eine seiner Töchter sein lebenslanges St.-Pauli-Ticket zu Geld machen will, schreckt er sogleich hoch: „Nein, nicht meine Dauerkarte!“ Littmann lächelt zufrieden.

Ein Fußballfan ist Götz Fuhrmann trotz der Vergangenheit seines Regisseurs als Präsident des FC St. Pauli nicht, seine Verbundenheit zum Stadtteil ist dennoch groß. Seit das Schmidts Tivoli 1991 eröffnet hat, gehört Fuhrmann zum Ensemble, er ist einer der dienstältesten Musicaldarsteller Hamburgs. Bereits in „Marlene Jaschke ist Carmen“ wirkte er als Don José mit, später folgten „Cabaret“ und „Im Weißen Rössl“. In „Heiße Ecke“ ist er von Beginn an dabei, die Rolle des Koberers Manni ist nur eine von fünf. Die Revue rund um den Kiez-Imbiss feiert am 17. September zehntes Jubiläum. Mit Fuhrmann. „Von den rund 2600 Vorstellungen war ich sicher bei mehr als 2000 dabei“, schätzt er. Der Reiz trotz der Routine: „Wenn ich auf der Bühne stehe und das Licht angeht, ist es jedes Mal was anderes“, sagt Fuhrmann. Oder er muss spontan reagieren: Als Fuhrmann in einer Szene einmal „Hilfe, Polizei!“ rief, sprangen tatsächlich Polizisten auf die Bühne, weil der Saaldienst die Beamten gerufen hatte.

Kürzlich hat der 48-Jährige die Rollen in „Heiße Ecke“ vorläufig auf Eis gelegt, rechtzeitig zur heißen Phase der Musicalkomödie rund um die „Königs“. „Für mich ist das auch eine Sozialstudie, sich mit solchen Charakteren zu beschäftigen, die an manchen Tagen nicht wissen, wie es weitergeht“, meint er. Dafür müsse man nur mal in die alten Kneipen abseits der Reeperbahn gehen.

Mit Regisseur Littmann, dem musikalischen Leiter und Ideengeber Martin Lingnau, Heiko Wohlgemuth und Mirko Bott ist das Autorenteam der „Königs“ fast identisch mit jenem der „Heißen Ecke“. Die neue Herausforderung für Fuhrmann? „Jetzt habe ich die Möglichkeit, einen Bogen zu spannen und die Rolle zu erzählen und auszubauen.“ Eine weitere Profession hat der Schauspieler längst gefunden: In der 90er-Jahren hatte er nach fünf Jahren im Musical „Buddy“ im Theater im Hafen genug vom Rock ’n‘ Roll, obschon er für die Rolle des Crickets-Bassisten Joe eigens Kontrabass gelernt hatte. Er nahm eine Auszeit und begann, Figuren aus Ton zu modellieren. Heute baut er Theaterpuppen. Schon im Schmidt-Musical „Villa Sonnenschein“ waren Fuhrmann-Modelle zu sehen. „Ich bin bundesweit für Theater am Werkeln“, erzählt er stolz. So arbeitet er im Sommer auch in seinem Garten in Rissen.

Von dort sind es mit der Linie S1 nur 30 Minuten bis zur Reeperbahn. Dann ist Fuhrmann, der privat eine gepflegte Cabrio-Frisur trägt, als Käpt’n König wieder auf St.Pauli zu Hause.

„Die Königs vom Kiez“ Premiere Fr 6.9., 20.00, bis 16.11., Di/Do–Sa jew. 20.00, Mi + So 19.00, Schmidt (U St. Pauli), Spielbudenplatz 24, Karten zu 14,10 bis 46,- unter T. 31 77 88 99; www.tivoli.de