„Der Krimi ist politisch“ heißt es an diesem Montag in der Buchhandlung Osterstraße. Eine in Heidelberg lebende Südafrikanerin liest aus ihrem Debüt, Verlegerin Else Laudan spricht über den Boom von Politkrimis.
Osterstraße. Der politischen Seite von Kriminalromanen widmet sich eine vierteilige Veranstaltungsreihe, die unter dem Titel „Der Krimi ist politisch“ vom Hamburger Argument Verlag organisiert wird. Zum Auftakt steht an diesem Montag im Buchladen Osterstraße Südafrika im Zentrum von Lesung und Debatte. Die südafrikanische, in Deutschland lebende Autorin Charlotte Otter wird ihr Debüt „Balthasars Vermächtnis“ vorstellen, Argument-Verlegerin Else Laudan spricht über spezielle politische Aspekte des Genres und moderiert die sich (vermutlich) anschließende Diskussion.
Den Anstoß für diese Reihe hat die von Veranstalterseite diagnostizierte Hochkonjunktur des sozialkritisch gestimmten Kriminalromans gegeben. Das ist aus Argument-Sicht gewiss zutreffend, veröffentlicht der Verlag doch in seiner Ariadne-Reihe seit einem Vierteljahrhundert politisch fundierte Krimis von Autorinnen wie Monika Geier, Merle Kröger oder aktuell die von Kritikern unisono gehypte Dominique Manotti. Ob die Diagnose über den Ariadne-Rand hinaus zutreffend ist, sei einmal dahingestellt, schließlich hat es politische Kriminalromane in neuerer Zeit auch in größerer Zahl schon immer gegeben – beginnend vielleicht mit dem mittlerweile legendären schwedischen Duo Sjöwall/Wahlöö und seiner kritischen, wenngleich auch recht eindimensionalen und gut gemeinten Sicht auf die Schattenseiten der Wohlstandsgesellschaft und in ihre Abgründe.
Gleichwohl kann eine Debatte über das Politische und den Kriminalroman nicht schaden, zu keiner Zeit, Boom hin oder her. Südafrika mag da, auch vor dem Hintergrund seiner Apartheidsgeschichte, ein gutes Beispiel zum Auftakt sein. Nicht zuletzt deshalb, weil das Land am Kap solch herausragende Autoren wie Deon Meyer oder Roger Smith vorzuweisen hat, Autoren, die auch hierzulande bereits eine große Leserschaft haben.
Die Krimidebütantin Charlotte Otter, seit einigen Jahren in Heidelberg lebend, hingegen hat sich bislang auf verschiedenen journalistischen Feldern umgetan, bevor sie dazu kam, einen Kriminalroman zu schreiben. Darin muss sich die Kriminalreporterin Magdalena Cloete im Südafrika der Jahrtausendwende mit einem komplexen Fall herumschlagen. Alles beginnt mit einer Leiche, in deren Brust vier Kugeln stecken.
Politischer Kriminalroman, Politthriller, Politkrimi, historisches Sujet oder zeitgenössisches? Können Kriminalromane mit politischer Intention beim Leser über den Unterhaltungswert hinaus etwas bewirken, Einsichten ermöglichen in gesellschaftliche Zusammenhänge etwa, in fremde Kulturen und Lebenswelten? Die Debatte darüber birgt Vielschichtiges wie gewiss auch Verwirrendes. So wird halt auch diese aktuelle Veranstaltungsreihe nur einige Aspekte beleuchten können.
Von Südafrika geht es am zweiten Krimimontag (23.9.) mit der österreichischen Autorin Clementine Skorpil und dem Hamburger Autor Robert Brack zurück in die Historie. Skorpil entführt in „Gefallene Blüten“ in das Shanghai der 1920er-Jahre, Robert Brack hat sich längst als Experte in Sachen historischer und politischer Kriminalromane etabliert. Von dem in Ottensen lebenden Autor erschien zuletzt „Unter dem Schatten des Todes“, eine Kriminalgeschichte um den Reichstagsbrand im Jahr 1933.
Am 28. Oktober geht der Blick dann zurück in die Verbrechen der kapitalistischen deutschen Gegenwart. Und das mit zwei höchst interessanten Autorinnen: Die Drehbuchautorin und Filmemacherin Merle Kröger wurde für ihren fulminanten deutsch-deutschen Kriminalroman „Grenzfall“ jüngst mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, Autorin Christine Lehmann hat zuletzt „Totensteige“ mit ihrer Serienheldin Lisa Nerz veröffentlicht. Das Finale am 25. November bestreitet dann die französische Noir-Autorin Dominique Manotti zum Thema „Wie schreiben?“.
„Der Krimi ist politisch“ ist eine ambitionierte und Spannung versprechende Reihe, die natürlich den nicht eben kleinen Schönheitsfehler hat, dass alle Autorinnen aus demselben Verlag kommen (lediglich Autor Robert Brack ist bei der Edition Nautilus und bei Heyne beheimatet). Wesentlich vielschichtiger noch wäre das Spektrum geworden, hätte man ein offeneres Konzept gewählt und zusätzlich Krimiautoren wie etwa Mechthild Borrmann, Wolfgang Schorlau und Wolfgang Kaes eingeladen. Auch sie schreiben politisch intendierte Kriminalromane und zwar hervorragende. Ob sie jedoch alle mit ihren Romanen zur politischen Aufklärung beitragen, wie gewiss gewünscht, das darf bezweifelt werden.
„Der Krimi ist politisch“ Mo 26.8., 20.00,
Buchhandlung Osterstraße (MetroBus 4),
Osterstraße 171, Eintritt 5,-, T.4919560 (ebenfalls am 23.9., 28.10. und 25.11., jeweils 20.00)