Die ARD hat Thomas Roth, den Nachfolger von Tom Buhrow, in einem Hotel an der Alster vorgestellt. Der neue „Erste Moderator“ ist voll des Lobes für die Kollegen. Sein Vertrag läuft aber nur drei Jahre und vier Monate.
Hamburg. Man merkt es sofort: So einer wie Thomas Roth, der kommenden Montag erstmals auf Sendung geht, hat den „Tagesthemen“ gefehlt. Wie er da oben im achten Stock des Hotels Le Royal Méridien im Konferenzraum Blankenese auf dem Podium sitzt und von seinen Erlebnissen als Auslandskorrespondent spricht, das hat schon was. Roth erzählt beispielsweise von einem Gespräch mit Nelson Mandela, das für ihn das bewegendste Interview war, das er in seiner Karriere je geführt hat. Und er erzählt von jener Nacht in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny, als er plötzlich während einer Live-Schalte in die „Tagesthemen“ unter Beschuss geriet und im Hamburger Studio Ulrich Wickert ihn bat, das Gespräch abzubrechen, um sich in Sicherheit zu bringen.
Roth ist einer, der schon ziemlich viel erlebt hat. Der Journalist strahlt eine große Gelassenheit aus. Man kann sich nicht vorstellen, dass er sich in einem Interview echauffieren oder bei einer Moderation verhaspeln könnte. Roth ähnelt von seinem Werdegang her, aber auch in seinem Habitus, Wickert und Hanns Joachim Friedrichs, also den beiden Moderatoren, die die „Tagesthemen“ mehr geprägt haben als alle ihre Vorgänger und Nachfolger zusammen. Und da er auch ein klein wenig eitel ist, glaubt man zu bemerken, dass es ihm Spaß macht, sich als Grandseignieur der „Tagesthemen“ zu inszenieren, eine Rolle, die dort jahrelang vakant war. Denn trotz seines schütteren Haupthaars wirkte Roths Vorgänger Tom Buhrow viel zu jungenhaft, um sie glaubhaft auszufüllen.
Mit seinen schlohweißen Haaren hat Thomas Roth dieses Problem nicht. Er ist ja auch noch einmal acht Jahre älter als Buhrow, der ihn in seiner neuen Rolle als WDR-Intendant als seinen Nachfolger bei den „Tagesthemen“ vorschlug. Zudem trägt Roth im Gegensatz zu seinem Vorgänger den Titel „Erster Moderator“. Und seine neuen Kollegen spielen auch mit. Caren Miosga und Ingo Zamperoni sitzen bei der Präsentation Roths in der letzten Reihe und sagen kein Wort.
NDR-Moderatorin Inka Schneider, die mit dem neuen „Tagesthemen“-Mann ein lockeres Gespräch führen soll und mit solchen Terminen vertraut ist, wirkt ungewohnt aufgeregt. Anfangs vergisst sie sogar ihr Mikrofon, das direkt vor ihr auf einem Tischchen liegt. Die Aufgabe ist ja auch nicht einfach, denn sie hat einen der ganz Großen des Journalismus vor sich, das wird schon bei einer ihrer ersten Fragen deutlich. Schneider möchte von Roth wissen, wie sein Verhältnis zu der „Tagesthemen“-Ikone Friedrichs gewesen sei. Roth hat ihn zwar nur ein paarmal getroffen. Als Südafrika-Korrespondent telefonierte er hauptsächlich mit ihm. Doch als Friedrichs 1995 starb, verfügte er auf dem Sterbebett, dass der erste Träger des nach ihm benannten Journalistenpreises Roth sein sollte. Eine größere Ehre kann einem deutschen Fernsehjournalisten kaum zuteil werden.
Roth spricht mehrmals von „Demut“
Roth weiß aber, dass gerade wegen seiner glanzvollen Vergangenheit ihm ein wenig Bescheidenheit als Neuem bei den „Tagesthemen“ gut zu Gesicht steht. Es dürfte kein Zufall sein, dass er bei seiner Vorstellung den Begriff „Demut“ gleich mehrfach verwendet. „Ich empfinde Demut vor den ,Tagesthemen‘“, sagt er etwa.
Und natürlich ist er voll des Lobes für die neuen Kollegen, die er erst seit ein paar Tagen kennt. Er habe eine „tolle Redaktion“ vorgefunden. Er sei „beeindruckt, wie nett die Kollegen mich aufgenommen haben. Eine lobt er ganz besonders: Caren Miosga. „Ich fand sie immer ganz toll“, sagt Roth. „Sie hat eine großartige Sprache und eine tolle Ausstrahlung.“
Auch für seine neue Heimat findet Roth nette Worte. „Hamburg ist eine großartige Stadt“, sagt er. Dabei kommt Roth, der in Heilbronn geboren wurde und in Heidelberg studiert hat, gerade aus einer der großartigsten Städte überhaupt: Zuletzt war er Leiter des ARD-Studios in New York. Der Abschied sei ihm schwer gefallen, räumt er ein. Er hat sich eine kleine Nachbildung der Freiheitsstatue mitgebracht, die nun auf seinem Schreibtisch steht. In Hamburg, wo er besonders die Alster schätzt, wird er vielleicht wieder anfangen zu rudern. Er hat das in seiner Jugend ein paar Jahre lang getan. Einstweilen hat aber die Wohnungssuche Vorrang.
Unterm Strich ist die Vorstellung Roths für alle Beteiligten eine gelungene Veranstaltung. Roth schafft es, sich und die „Tagesthemen“ in das beste Licht zu rücken. Nur zweimal droht die Stimmung ein klein wenig zu kippen. Einmal, als eine Journalistin den Vize-Chef von ARD-aktuell Thomas Hinrichs fragt, ob er etwas über das neue „Tagesschau“-Studio sagen könne. „Wir kommen voran“, sagt Hinrichs etwas ungnädig. Ursprünglich sollte das Studio Weihnachten 2012 in Betrieb gehen. Einen neuen Termin gibt es nicht.
Das andere Mal möchte ein Kollege von dem 61-jährigen Roth wissen, ob er für das Team Miosga/Zamperoni nicht etwas zu alt sei. Roth ist ein wenig pikiert. Und als er etwas später erzählt, dass er als Russland-Korrespondent für die ARD ein Internet-Tagebuch geführt habe, fügt er süffisant hinzu: „Das geht auch in meinem Alter.“
Roths Vertrag läuft drei Jahre und vier Monate. Dann geht er in den Ruhestand. Ob es ihm in dieser kurzen Zeit gelingen wird, die „Tagesthemen“ ähnlich zu prägen wie Friedrichs und Wickert, wird sich zeigen.