Es gibt sie so lange wie die Bundesliga: Als am 24. August 1963 das deutsche Fußball-Oberhaus seinen ersten Anstoß erlebte, ging auch das „Sportstudio“ auf Sendung. Heute schauen noch immer Millionen Sportfans zu.
Hamburg. Die auf zwei Bildschirmen eingespielte „Sportstudio“-Uhr zeigt sechs Minuten nach elf, als Dieter Kürten auf die Bühne hetzt, ein verschämtes „Tut mir leid“ wispernd. Wäre er noch Moderator der Sendung, und wäre die Bühne im Mainzer ZDF-Studio gewesen und nicht im Hamburger Hotel Le Royal Méridien, dann hätte Kürten ein Problem gehabt. Aber er ist 78 Jahre alt, obwohl er nicht so aussieht, und soll nicht moderieren, sondern rekapitulieren. Das „Aktuelle Sportstudio“, die sportliche Dachmarke des ZDF, feiert im August ihr 50-jähriges Bestehen, und Kürten ist mit 375 Auftritten zwischen dem 21. Oktober 1967 und dem 30. September 2000 Rekordmoderator der Sendung. Er hat sie entscheidend geprägt, und wer so viel zu erzählen hat, der darf auch mal sechs Minuten zu spät zum offiziellen Pressegespräch kommen, weil er in inoffiziellen Gesprächen aufgehalten wurde.
Als am 24. August 1963 die Fußball-Bundesliga ihren ersten Anstoß erlebte, ging auch das „Sportstudio“ auf Sendung. Heribert Meisel war der Moderator, doch weder er noch seine namhafteren Nachfolger wie Kürten, Harry Valérien, Wim Thoelke oder Günther Jauch hätten wohl geglaubt, dass das Format 50 Jahre später von ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz als „Institution im deutschen Fernsehen“ gerühmt werden würde.
Tatsächlich schauen heute noch immer rund zwei Millionen Sportfans zu, wenn jeden Sonnabend um 23 Uhr die Melodie erklingt, die den Klassiker ankündigt. Das ist angesichts der Konkurrenz von Dutzenden Sendern mit Sportprogramm eine sehr ordentliche Kundenzahl, und sie bringt eine Verpflichtung mit sich, die Gruschwitz auch als wichtigsten Wunsch für die Zukunft in Worte kleidete: „Das ,Sportstudio‘ informiert, unterhält und polarisiert, es behandelt seine Gäste mit Respekt und muss weiterhin journalistische Werte und Qualität bewahren.“
Bevor die Zukunft beginnt, wird am 10. August in einer zweistündigen Jubiläumssendung, durch die die drei aktuellen Moderatoren Katrin Müller-Hohenstein, Michael Steinbrecher und Sven Voss führen werden, der Vergangenheit gehuldigt. Jeder der 41 bisherigen Moderatoren, ja, jeder Sportfan hat sein eigenes persönliches Highlight. Kürten erinnerte an den Affen, der 1971 der Frau des fünffachen Schwimmolympiasiegers und Tarzan-Darstellers Johnny Weissmüller die Perücke klaute. Damals war das „Sportstudio“ noch eine Livesendung und nicht, wie heute zumeist, eine Live-on-tape-Produktion, die aus Rücksicht auf die Studiogäste rund 45 Minuten vor Sendebeginn aufgezeichnet wird. Ein Einspieler zeigte den Hamburger Boxer Norbert Grupe, der 1969 auf fast jede Frage des bemitleidenswerten Rainer Günzler schwieg, und das Streitgespräch zwischen dem Kölner Fußballtrainer Christoph Daum und Bayern-Manager Uli Hoeneß, die sich 1989 beinahe an die Wäsche gegangen wären. Unvergessen bleibt Carmen Thomas, die 1973 Schalke 04 zu Schalke 05 machte. Die Liste der Klassiker wäre endlos fortzusetzen.
Steinbrecher, der zwei Wochen nach dem Jubiläum nach 21 Jahren als Moderator ausscheidet und sich seiner Professur an der Uni Dortmund widmet, sorgte in der Feierstimmung für die kritischen Töne. Angesichts der zunehmenden Zahl an mediengeschulten Sportlern warnte er vor „Gefälligkeitsjournalismus“ und vor Fußballclubs, die mit vereinseigenen Sendern versuchten, die Berichterstattung zu steuern. „Da müssen wir aufpassen“, sagte er.
Zunächst jedoch soll am 10. August die vielleicht wichtigste Frage geklärt werden: Wer ist der beste Schütze an der Torwand, dem „Sportstudio“-Markenzeichen? Alle Sechse schaffte bislang niemand. Zum Jubiläum treten die acht Herren, die fünfmal trafen – darunter mit Trainer Frank Pagelsdorf und Torhüter Frank Rost auch zwei Ex-HSVer – zum Stechen gegeneinander an. Dieter Kürten soll es als Stargast moderieren, und er wird pünktlich sein.