Die Ziehung der Lottozahlen wird am Sonnabend zum letzten Mal live gesendet. Danach ist die Ziehung nur noch im Internet zu sehen.
Hamburg. Eigentlich ist es kein Wunder, dass die Ziehung der Lottozahlen an diesem Sonnabend (23.15 Uhr) zum letzten Mal live im Ersten auf Sendung geht. Schließlich enttäuscht dieses Format seit dem 4. September 1965 Woche für Woche Millionen Zuschauer. Während man seinen Gewinnschein mit einem Richtigen in kleine Fetzen reißt, sackt anderswo in Deutschland jemand einen Koffer voller Scheine ein und lebt eine Zeit lang wie Fußballlegende George Best: „Ich habe viel von meinem Geld für Alkohol, Weiber und schnelle Autos ausgegeben – den Rest habe ich einfach verprasst.“
Zumindest einen Trost gab es seit fast 50 Jahren: Die adretten, höflichen und charmanten Moderatorinnen, die schon von Anbeginn der Zeiten, als Karin Dinslage von 1965 bis 1971 die Nummern der aus der Maschine gekullerten Kugeln ansagte, betörten. Und weil die Damen zumindest einigen zufällig ausgewählten Deutschen Glück brachten, etablierte sich in den Medien und im Volksmund schon in den 60er-Jahren der Begriff „Lottofee“. Besonders Karin Tietze-Ludwig, die sich von 1967 bis 1971 mit Dinslage abwechselte und bis 1998 die ritualisierten und doch so spannenden wenigen Minuten begleitete, prägte das Bild der TV-Glücksgöttin. Trotz bürokratisch anmutenden Bonmots wie „Der Aufsichtsbeamte hat sich vor dieser Sendung von dem ordnungsgemäßen Zustand des Ziehungsgerätes und der 49 Kugeln überzeugt“ schuf sie eine Atmosphäre, die mehr Vertrauen weckte als ihre Kollegen von den Kalt- und Warmfronten der Wetterberichte. Erst mit 56 trat sie stöckelnd ab, sie wollte „nicht warten, bis mein Verfallsdatum abläuft.“ Ihre Bilanz: Über 2200 Livesendungen und nur ein Patzer, als sie eine 6 mit einer 9 verwechselte.
So war es an Franziska Reichenbacher, ab dem 24. Januar 1998 Menschen stinkreich oder stinkwütend zu machen. Hoch geht es in den 53. Stock des Frankfurter Maintowers, Einmarsch vor die Fototapete, Begrüßung, Linksschwenk zur nächsten Kamera und hinein in den Zahlensalat von Spiel 77, 6 aus 49 inklusive Zusatz- und Superzahl sowie Super6 und Glücksspirale, garniert mit einigen Gewinnquoten und Jackpot-Höhen. Besonders die Ziehung von 6 aus 49, das Prasselregen-auf-Wellblech-Geräusch zum Wursttheken-Soundtrack wurde zum meditativen Moment einer ganzen Nation.
Aber nach der letzten Live-Ziehung ist es damit vorbei. Schon am vergangenen Mittwoch verschwand ZDF-Mittwochslottofee Heike Maurer sang- und klanglos vom Bildschirm. Franziska Reichenbacher darf immerhin noch ab 6. Juli die Gewinnzahlen kurz vor der „Tagesschau“ mitteilen. Aber die Ziehung der Zahlen ist nur noch im Internet zu beobachten, übertragen vom Deutschen Lotto- und Totoblock und moderiert von Nina Azizi und Chris Fleischhauer. Dabei gab es männliche Feen bislang nur in den Sagen.