Das Besondere verkauft sich besonders gut. Voraussetzungen für den internationalen Erfolg sind eine gute, auch außerhalb Deutschlands nachvollziehbare Geschichte, ein gutes Drehbuch und eine hervorragende Besetzung.

Hamburg 60 Länder! In 60 Länder wurde der ZDF-Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ bereits verkauft, oder der entsprechende Vertrag ist jedenfalls unterschriftsreif. Die glaubwürdig erzählten Lebensläufe von fünf Freunden während des Zweiten Weltkriegs sind der jüngste Exportschlager des deutschen Fernsehens. Erstmals seit mehr als zehn Jahren zeigte das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Schweden einen deutschsprachigen Film mit Untertiteln zur besten Sendezeit und erreichte einen Marktanteil von 25 Prozent. Die Ausstrahlung im polnischen Fernsehen wurde mit heftigen Diskussionen über Opfer und Täter und den Antisemitismus in der polnischen Armee begleitet. Verhandlungen mit Frankreich, Italien, Spanien – die drei großen, marktrelevanten Staaten – stehen unmittelbar vor dem Abschluss, der Vertrag mit Großbritannien ist unterzeichnet. In den USA kommt „Generation War“, so der englischsprachige Titel, in ausgewählte Kinos, zunächst unter anderem in New York und Chicago, wo die drei Folgen in kurzen Abständen im Programm sein werden.

„Wir haben das stärkste Interesse seit Langem an einer deutschen Produktion“, so Filmhändler Jan Mojto, der mit seiner Firma Beta Film den Dreiteiler koproduziert hat und für den internationalen Vertrieb verantwortlich zeichnet. Die Beta, eines der führenden Lizenzunternehmen weltweit, war schon recht früh im Gespräch mit Nico Hofmann und seiner Teamworx-Produktion. Bei der Entwicklung stand Steven Spielbergs Kriegsserie „Band of Brothers“ Pate. Von Anfang an war „Unsere Mütter, unsere Väter“ für den internationalen Markt angelegt, die 15 Millionen Euro Produktionskosten wären für einen einzigen deutschen Sender nicht zu stemmen gewesen. „Ich habe gehofft, erwartet, dass ‚Unsere Mütter, unsere Väter‘ ein Erfolg wird, aber sicher war ich mir nicht. Ich war am Ende sehr erfreut“, sagt Jan Mojto.

Eine interessante, auch außerhalb Deutschlands nachvollziehbare Geschichte, ein gutes Drehbuch, gute Besetzung, Regie, Kamera braucht es, um international mitspielen zu können. „Nico Hofmanns Dreiteiler funktionierte nicht nur, weil Kriegsthemen immer funktionieren. ‚Unsere Mütter, unsere Väter‘ zeigt das Besondere, zeigt fünf Freunde, die ins Leben ziehen und Grenzerfahrungen machen“, erklärt Mojto. „Die Kamera geht nah an die Figuren, ist einfühlsam, man kann nicht wegschauen. Und die fünf jungen, sehr guten Schauspieler sind eine ideale Besetzung.“

Im Filmgeschäft bedeutet mehr Geld tatsächlich meist auch mehr Qualität, Fachleute sprechen vom „production value“. „Unsere hier produzierten TV-Events haben inzwischen internationales Niveau erreicht, wir befinden uns auf Augenhöhe mit US-Amerikanern und Briten“, sagt Mojto und erinnert an die Erfolge der Teamworx-Produktionen „Hindenburg“ und „Dresden“. Letztere wurde auch in Großbritannien gezeigt. Fernsehfilme mit historischem Hintergrund, wenn sie denn emotional gut erzählt und möglichst nahe an der Realität sind, finden international ihre Zielgruppe. Und so wundert es nicht, dass Beta Film mit Nico Hofmann bereits eine weitere Produktion anpeilt: eine Serie über Adolf Hitler. Mit der Gruppe 5, ZDF enterprises und dem britischen „Showrunner“ Michael Hirst, eine Art Superproduzent, wird eine Serie über Alexander den Großen entwickelt.

4000 Titel oder mehr als 15.000 Stunden umfasst das Programmangebot der Beta Film, ihr erfolgreichstes Produkt ist nach wie vor „Kommissar Rex“, verkauft in 125 Länder. Derzeit wird mit Arte und spanischen Partnern die 13-teilige Abenteuerserie „Capitaine Alatriste“, angelegt im goldenen Zeitalter Spaniens Anfang des 17. Jahrhunderts, gedreht. Bei „Gomorrha“ im Reich der Camorra sind Italiener mit im Boot. Die saftige „Borgia“-Serie finanzieren der französische Canal plus, ZDF und ORF mit, auch für die zweite sechsteilige Staffel, die das ZDF im Herbst vermutlich an drei Abenden zeigt, ist mit Tom Fontana ein US-amerikanischer Serienerzähler als Autor und Produzent gesichert.

Serielles Fernsehen sei das große Thema der Zukunft, sagt Marktkenner Mojto. „Horizontales Erzählen“ nennen es die Profis, große Epen werden differenziert, spannend aufgebaut – über mehrere Folgen. Der Weg führe derzeit weg von abgeschlossenen Einstundenstücken. „Das Nischendasein der deutschen Produktionen ist zu Ende“, sagt Jan Mojto.

Der Erfolg von „Unsere Mütter, unsere Väter“ beflügelt übrigens auch die Studio Hamburg Enterprises. Das Gemeinschaftsunternehmen von Studio Hamburg Distribution & Marketing und ZDF enterprises hält die DVD- und Blu-Ray-Rechte an dem ZDF-Epos und rechnet damit, davon bis Ende des Jahres unglaubliche 100.000 Stück zu verkaufen.

Wie die Beta Film, die bereits in einem sehr frühen Stadium in Inhalte plus Vertriebsrechte investiert, geht auch die Studio Hamburg Distribution & Marketing verstärkt diesen Weg. Dabei konzentriert sich das Unternehmen vor allem auf lang laufende Serien und Reihen. Wie beispielsweise „Liebe am Fjord“ mit attraktiven Menschen und schönen Landschaften, die beliebt sind in Italien, Frankreich, den baltischen Staaten, Slowenien, Ungarn. Oder „Rote Rosen“, „Großstadtrevier“ und „Die Pfefferkörner“. Die zwei Letztgenannten laufen seit vielen Jahren unter anderem bei der italienischen Rai. Christiane Wittich, Leitung internationaler Vertrieb bei Studio Hamburg Distribution & Marketing, weiß, was der Markt braucht: „Andere Länder programmieren anders. Da muss beispielsweise die 18-Uhr-Schiene durchgehend mit einer Serie bestückt werden, auf Monate oder auch Jahre. Wenn dann ein Stoff erst einmal verankert ist, ist das lohnend für beide Seiten.“ Auch hätten sich unsere europäischen Nachbarn seit dem legendären „Derrick“ an die Deutschen auf ihren Fernsehschirmen gewöhnt. Wichtig sei auch, ob es in den jeweiligen Staaten eine „Synchronkultur“ gebe.

Auch die Besetzung ist von Bedeutung, das lässt sich an dem ein oder anderen „Tatort“ festmachen. Til Schweiger hat in mehreren Hollywood-Filmen mitgespielt, zuletzt in „Inglourious Basterds“, Sebil Kekilli ist Teil der „Game of Thrones“-Familie – alles Argumente für eine erfolgreiche internationale Vermarktung. Krimis mit den beiden lassen sich gut ins Ausland verkaufen, und was die Verkäufer freut: Sie sind Zugpferd für andere „Tatort“-Folgen.

Deutschland sei einer der leistungsfähigsten Fernsehmärkte, sagt Jan Mojto, dessen Vorbilder große Geschichtenerzähler wie Charlie Chaplin sind. „Fernsehen zu machen ist eine kreative Herausforderung, ist wirtschaftlich erfolgreich und kulturell sinnvoll, weil wir so auch unsere Werte in die Welt tragen können.“ Auch unter diesem Aspekt sei „Unsere Mütter, unsere Väter“ ein sehr wichtiges Projekt.