Chor-Serie, 4. Teil: Ottoneans, der Firmen-Chor der Otto Group, bringt unter der Leitung von Peter Schuldt und Michael Zlanabitnig reichlich Pop, Groove und Rock’n’Roll in die Welt des Versandhandels.
Hamburg Tagsüber leitet Hans Georg Spliethoff den Bereich Kreditmanagement bei der Otto Group. Sein Kollege Olaf Buckreus ist Kontakter in der Katalogwerbung. Maje Rasch arbeitet als Projektmanagerin. Und Susanne Scheer unterstützt als Assistentin die Einkaufssteuerung bei dem Mode-Riesen an der Wandsbeker Straße. Doch immer donnerstags ab 18 Uhr werden sie zu Tenor, Bass, Sopran und Alt. Im Firmenchor Ottoneans bringen sie ihre Stimmen ganz anders zu Gehör als im Berufsleben. Euphorischer, befreiter auch. Dann hüpfen Sänger quer durch die Hierarchien nebeneinander, um sich aufzuwärmen. Und zum Einsingen intoniert der Vorstand neben der Praktikantin ein „Ha ha ha“, gefolgt von einem „Waddi waddi waddi“. Feierabendstimmung. Und das, obwohl der Übungsraum sehr viel Business-Charme versprüht.
Kleine Sitzungsgetränkeflaschen stehen auf grauen Tischen, die sich in U-Form durch den Konferenzraum ziehen. Wer beim Singen aus dem Fenster blickt, schaut auf die wuchtigen Bauten der Bramfelder Otto-Stadt. Chorleiter Michael Zlanabitnig holt das Korg-Keyboard aus einem der Wandschränke, während sein Kompagnon, Peter Schuldt, von den Anfängen der Ottoneans erzählt: „Als ich den Raum das erste Mal sah, dachte ich: Holla, die Waldfee, hier soll ich Seele und Geist reinbringen?“ Doch der Hamburger Musikpädagoge ist einer, der noch jeden Ort und jeden Menschen mit der Energie der Musik erfüllt hat. „Bilder entstehen beim Singen“, sagt Schuldt und grinst, obwohl Ende 50, doch sehr spitzbübisch. Mit seinem erdigen Charme bringt er jede Menge Rock’n’Roll in die Welt des Versandhandels.
Den Anstoß gab Anfang 2010 die Premiere von The Young ClassX, einer Initiave des Ensembles Salut Salon und der Otto-Gruppe. Gemeinsam mit Jürgen Bock, Leiter der Kulturentwicklung im Unternehmen, entwickelte Schuldt da eine Idee: „Eigentlich reicht es nicht, ein tolles Jugendmusikprojekt aus den Angeln zu heben, eigentlich muss die ganze Firma singen.“ Und so begleitet er nun 55 aktive und auch ehemalige Mitarbeiter mit seiner Wandergitarre, wenn sie etwa inbrünstig Abbas „Super Trouper“ singen: „Suddenly I feel alright“. Sich plötzlich in Ordnung fühlen. Ein Satz, der den Effekt dieses After-Work-Chors gut zusammenfasst. Bei schmissigen Nummern wie Queens „Bohemian Rapsody“ und „Barbara Ann“ von den Beach Boys, aber auch bei Gänsehaut-Stücken wie Leonard Cohens „Hallelujah“ und „You Raise Me Up“ von Secret Garden werden Abteilungsebenen aufgehoben und Stress abgebaut.
„Nach fünf Minuten sind all die Probleme des Alltags verschütt“, sagt Ulrich Melcher, der stellvertretend dem Betriebsrat der Tochtergesellschaft Hermes Fulfilment vorsitzt und seit 25 Jahren bei Otto ist. Früher sang er in einem Pop-Chor in Altona. Doch als die Ottoneans im März 2010 gegründet wurden, zog es Melcher vor, lieber 200 Meter von seinem Schreibtisch entfernt zum Singen zu gehen. Nach der Probe, so erzählt der 56-Jährige, sei er schon häufiger trällernd über die leeren Flure der Firma gelaufen. Doch auch wenn der Chor die Angestellten gewiss auf besondere Weise mit dem Arbeitgeber verbindet, so betonen die Ottoneans, dass sie autonom organisiert und selbst finanziert sind. „Der Chor wurde nicht gegründet, damit wir ein möglichst tolles Firmennetzwerk aufbauen“, sagt Olaf Buckreus. „Aber das ist ein netter Nebeneffekt, dass ich ‚meine Leute‘ anrufen kann, wenn ich zum Beispiel PC-Probleme habe“, erklärt der 47-Jährige.
Rund 30 Songs gehören mittlerweile zum Repertoire. Und die Stücke von Gospel über Rock bis Pop präsentierten die Ottoneans beim 70. Geburtstag von Aufsichtsratsvorsitzendem Michael Otto ebenso wie beim Weihnachtsmarkt der Firma. Das Ensemble gibt aber auch externe Konzerte, etwa bei der Nacht der Kirchen oder beim Benefizauftritt für die Obdachlosenhilfe „Herz As“. Und am 8. Dezember diesen Jahres laden sie zum großen Jahreskonzert in die Barmbeker Auferstehungskirche. „Wie die sich bewegen, wie die abgehen, das ist ein ganz besonderer Spirit“, sagt Michael Zlanabitnig. Der 32-Jährige arbeitet viel mit Kindern und ist vor allem angetan von der Lebendigkeit seiner erwachsenen Ottoneans. Und tatsächlich: Bei der Abba-Nummer tänzeln die Sängerinnen und Sänger sehr engagiert auf dem roten Konferenzraumteppich und heben die Hände zur Synchron-Choreografie. Unternehmenskommunikation einmal anders.
Nach „Chören, die begeistern“ suchte das Hamburger Abendblatt, mehr als 55 Chöre schickten Videoclips ein. Sieben von ihnen werden nun porträtiert. Videos der vorgestellten Chöre: www.abendblatt.de