Die Sängerin, die als Schlagerstar bekannt wurde, präsentierte im Gruenspan in Hamburg ihr neues Album mit Jazz- und Soul-Stücken. Die 64-Jährige begeisterte ihr Publikum.
Hamburg. Die vier jungen Musiker auf der Bühne des Gruenspan spielen ein entspanntes Jazz-Intro. Piano, Schlagzeug, Stehbass, Gitarre. Ein reduziertes Setting, damit sie umso besser leuchten kann, die Sängerin, die kurz darauf für anderthalb Stunden ihr Publikum begeistern und berühren soll.
Mary Roos tritt - ganz in Schwarz gekleidet - ins Rampenlicht. Sie strahlt, breitet ihre Arme aus. Doch auch wenn ihre alte Heimat im Schlager liegt, in der Welt des Pathetischen, mitunter Kitschigen, erstarren ihre Gesten nicht im Künstlichen. Denn die 64-Jährige hat sich noch einmal neu erfunden.
"Ich bin ja schon gefühlte 100 Jahre dabei und darf jetzt endlich eine eigene Tour machen", sagt sie zu Beginn. Den erfrischend-selbstironischen Tonfall wird sie bis zum Ende ihres Konzerts beibehalten, hinzu gesellt sich gegen Ende jedoch eine Herzlichkeit, die einer frisch gewonnen Freiheit zu entspringen scheint. Mit "Denk was Du willst" hat Roos gerade eine Platte veröffentlicht, die Jazz, Soul und Chanson kombiniert, Samba, Blues und Beatmusik.
Roos erzählt an diesem Freitagabend von Abschieden und Aufbrüchen. Sie erinnert an ihre Erfolge mit französischen Liedern in den 70er-Jahren, singt vom "Champs Elysées", läuft durch den Mittelgang, flirtet mit ihren Fans und winkt zum Balkon, wie ein Kind, das mit roten Wangen freudig ein paar hoch hängende Äpfel entdeckt hat. Zu den frankophilen Songs passt, dass der Kiezclub das gute Geschirr heraus geholt hat und den Rotwein in echten Gläsern ausschenkt. Schließlich spielt nicht, wie sonst so häufig, eine Rockband auf, bei der es auch einmal wilder zugehen kann.
Das Publikum ist älter, kennt Roos noch aus ihrer Schlagerzeit, goutiert aber die aktuellen Stücke mit Andacht und Entzücken. Zu Recht. Denn Roos' Stimme hat durch die Lebenserfahrung in doppeltem Sinne an Tiefe gewonnen. In dem rauen Schmelz schwingen sowohl kesse Momente durch als auch melancholische. Das große Thema ihrer Songs ist und bleibt natürlich die Liebe. "Ich bin ja eine alte Romantikerin", sagt sie und führt weiter aus: "Wurscht, wer mit wem, Hauptsache lieben!" Heftiger Applaus. Besonders stark sind ihre ruhigeren Nummern gegen Ende: "Wo warst Du nur" und "Für jeden Mann den ich mal liebte".
"Danke, Hamburg, das war ein Abend, wie ich ihn mir gewünscht habe", sagt Roos zum Schluss. Bis dahin hat sie viel gelacht, getanzt, sich den Schweiß abgewischt und weiter gesungen. Die Bühne verlässt sie jedoch nicht, ohne als Zugabe unter anderem ein Medley ihrer alten Hits wie "Rücksicht" und "Aufrecht geh'n" zu geben. Die Menge applaudiert im Stehen.