Deutsch-Pop, Jazz und eine Prise Ironie ist die Mischung des neuen Albums von Schlagersängerin Mary Roos. “Denk was Du willst“ – ein erstaunliches Album abseits der gängigen Unterhaltungsmusik.

Ihre Vielseitigkeit hat Schlagersängerin Mary Roos, 64, in der Vergangenheit schon häufig unter Beweis gestellt. Aber jetzt ist mit den neuen Songs aus der Feder von Künstlerkollegen wie Roberto Di Goia, Sven Bünger und Till Brönner sowie Texten, unter anderen von Frank Ramond, mit "Denk was Du willst" ein erstaunliches Album abseits der gängigen Unterhaltungsmusik gelungen. Ein Gespräch über schrilles Älterwerden, einen Herrn namens Böhm und Männer, die Frauen verändern wollen.

Hamburger Abendblatt: Mary Roos, Sie mögen keine Sonntage, oder? Zumindest besingen Sie dies in einem Titel Ihres neuen Albums.

Mary Roos: Das stimmt. Weil ich Single bin. Wenn ich sonntags mal zu Hause bin und so aus dem Fenster sehe und verliebte Pärchen und Familien beim Spaziergang beobachte, dann wurmt es mich, dass nicht einmal die Geschäfte geöffnet haben. Ich kann dann nicht einmal einen Frustkauf machen.

"Denk was du willst" heißt Ihr Album - was hat diese Zeile mit Ihnen persönlich zu tun?

Mary Roos: Es ist meine Lebensphilosophie. Ich finde, jeder sollte so sein dürfen, wie er ist. Und man sollte Verständnis haben, dass der andere auch anders ist als man selbst. Wenn ich daran denke, macht mich das vor allem gegenüber Menschen gelassener, die Ecken und Kanten haben. Die liebe ich sowieso mehr als andere.

Warum?

Mary Roos: Sie sind einfach interessanter, spannender und bereichern mein Leben. Und: Ich kann über sie lachen. Meine Devise: leben und leben lassen. Das aber immer mit Respekt vor dem Andersdenkenden. Jeder Mensch hat doch einen anderen Hintergrund, hat eine andere Erziehung erlebt, kommt aus einer anderen Welt. Ich halte mich für sehr tolerant.

Ich habe das Gefühl, Sie sind zu gut für diese Welt ...

Mary Roos: Ich habe eher das Gefühl, je älter ich werde, desto schriller werde ich. Und ich sage, was ich denke. Das war nicht immer so. Ich war früher eher eine schüchterne Frau. Das glaubt heute kaum einer. Aber das war so.

Sie würden heute also auch in eine politische Talkshow gehen?

Mary Roos: Natürlich. Warum nicht? Ich bin als junges Mädchen in meinem grünen Parka demonstrieren gegangen. Aber damals war ich eben noch anonym. Es kannte mich noch niemand.

Worüber regen Sie sich heute auf?

Mary Roos: Zypern. Es ist noch gar nicht so lange her, dass sich dort in den Zeitungen unsere Bundeskanzlerin mit Hakenkreuzen abgebildet wiederfand und als Hitler hingestellt wurde. Manche urteilen, ohne den eigentlichen Hintergrund zu kennen. Wir sind nicht Europa. Ich finde es nicht korrekt, dass wir Deutsche in vielen Ländern die Hassmütze aufgesetzt bekommen.

"Wie lange wollen Sie das noch machen?", singen Sie ironisch in einem anderen Song. Sie sind 64 Jahre alt. Gibt es eine ernsthafte Antwort?

Mary Roos: Ich habe in der letzten Zeit gemerkt, dass es gerade junge Leute sind, die mich hinterfragen. Junge Kollegen, die so gucken, wie ich damals auch geguckt habe. Die denken, die könnte nun auch mal so langsam ans Aufhören denken.

Und?

Mary Roos: Es war meine Idee, den Text hat Frank Ramond geschrieben. Als ich ihn las, hat's mich fast umgehauen und ich habe geschluckt. Aber dann habe ich nur noch Tränen gelacht!

Ketzerisch gefragt: Wollen Sie denn nun ein weiblicher Johannes Heesters werden - oder lieber nicht?

Mary Roos: Man muss ja nicht immer auf alles eine Antwort haben - oder?

Ina Müller, Roger Cicero, Barbara Schöneberger, Annette Louisan und andere sind mit ironischen Texten von Frank Ramond unterwegs. Nun auch Sie. Ist diese Masche nicht allmählich ausgereizt?

Mary Roos: Bei mir ist es keine Masche. Ich glaube, dass ich mit den Songs auf diesem Album, mit den Texten, die ich singe, absolut ehrlich bin. Das ist mir sehr wichtig. Außerdem habe ich bekanntlich jede Menge Humor und kann über mich selbst lachen.

Wenn Sie mit diesem neuen Album ehrlich sind, wie Sie sagen, heißt das nicht im Umkehrschluss, dass Sie als Schlagersängerin, die Sie auch immer noch sind, verlogen sind?

Mary Roos: Nein! Dieses Album ist eine Fortsetzung dessen, was ich früher gemacht habe. Ich würde nie sagen, das, was ich früher gesungen habe, war alles Blödsinn. Es ist für mich nur wichtig, mal den Ist-Zustand zu beschreiben.

Sie haben sich nicht neu erfunden?

Mary Roos: Nein. Ich habe immer schon auch Chansons in deutscher und französischer Sprache, Brasilianisches, jazzig Swingendes, wie auf diesem Album, gesungen. Es ist eine andere Art, etwas zu transportieren. Im Radio werden allerdings überwiegend die Schlager gespielt, die in das "Format", wie es immer so schön heißt, passen. Die anderen Titel sind dabei untergegangen.

Also eine Weiterentwicklung?

Mary Roos: Ja. Wenn ich in Zukunft nur noch das machen würde, was ich in der Vergangenheit gemacht habe, dann könnte ich auch aufhören. Dann gäbe es für mich keine Entwicklung mehr. Es soll für mich aber weitergehen. Mir ist bei der Arbeit an diesem Album bewusst geworden, dass ich jetzt weiß, was ich alles kann.

Ihr Ex-Mann Werner Böhm hat ein Buch geschrieben, das Ihnen gar nicht gefällt.

Mary Roos: Wenn man nichts zu sagen hat, sollte man keine Bücher schreiben. Das Beste an diesem Buch ist, dass das Papier recycelbar ist und sich von selbst zersetzt.

Stimmt es, dass Sie zum Gegenschlag ausholen und auch eine Biografie schreiben wollen? Unter der Titel soll sein "Aufrecht geh'n!"

Mary Roos: Eine schöne Idee!. Aber nein, das ist ein Gerücht. Und wenn, dann würde man den Namen Werner Böhm dort vergeblich suchen.

Was war das bislang böseste Gerücht, das über Sie verbreitet wurde?

Mary Roos: Wenn ich zurückblicke hatte ich in dieser Beziehung nie Berührungspunkte. Das Böseste war das, was Werner Böhm in seinem Buch über mich behauptet hat. Abgesehen davon, dass es gelogen ist, hat es mich menschlich sehr getroffen.

Es ging um angeblichen Ehebruch. Und was war das schönste Gerücht Ihrer Karriere?

Mary Roos: Dass ich die uneheliche Tochter von Hildegard Knef sei. Das hatte mal die Presse in Frankreich über mich geschrieben. Ich habe mich sehr amüsiert.

Die Fotos anlässlich des Albums hat der bekannte Jazz-Trompeter Till Brönner gemacht. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Mary Roos: Er hat auch den Titel "Adrian" für das Album geschrieben. Wir haben sozusagen nebeneinander produziert: Er nebenan sein neues Jazz-Album und ich meines. Na ja, und dann waren wir häufig Mittagessen. Ach, was für ein Mann! Er sieht toll aus, ist charmant, respektvoll. Ein paar Jahre früher, und ich wäre ihm verfallen!

Ich kann auch nur schwer verstehen, dass eine Frau wie Sie Single ist ...

Mary Roos: Ich schon. Ich bin doch immer unterwegs. Wer hält denn das aus?

Aber wenn man liebt ...

Mary Roos: Ich möchte ja auch gerne, aber Männer in meinem Alter wollen mich immer alle verändern. Ich würde mir einen Mann wünschen, der sagt: "Lass sie doch reden, die Alte, ich finde sie trotzdem gut". Einer, der mir sagt: "Denk was Du willst".