Peer Steinbrück, Olaf Scholz, Barbara Kisseler und Betroffene aus Hamburg diskutierten in den Deichtorhallen über das „Kreativpakt“-Konzept der SPD.

Hamburg. Je früher der Nachmittag, desto globaler die Perspektive - nach dieser Devise hatte die SPD zu zwei Diskussionsrunden über Kreativwirtschaft im allgemeinen und ihre Bedeutung für Hamburg im speziellen eingeladen. Olaf Scholz nutzte das Podium als Regierungsoberhaupt der Hansestadt am Freitag vor allem dazu, die wirtschaftliche Bedeutung dieser Unternehmen und der vielen Selbstständigen zu unterstreichen: Etwa 10,5 Milliarden Euro jährlich, 2,8 Prozent der städtischen Wirtschaftsleistung, werden von diesen Branchen produziert. Für Scholz eine Ursache seiner Erkenntnis, dass „Kultur und Kaufmannschaft keine Gegensätze sein müssen“.

Auch Kanzlerkandidat Peer Steinbrück richtete seine Rede vor allem aufs größere Ganze aus. Er lobte Kreative – wobei nie ganz klar war, wo für ihn die Trennlinie zu Künstlern im klassischeren Sinne verläuft – für ihre „beeindruckende Sehnsucht, mit hoher Risikobereitschaft eine eigene unternehmerische Existenz zu gründen“. Dass die bundesweit erarbeitete Wertschöpfung mit 137 Milliarden Euro höher liegt als die der Chemieindustrie, ist nicht neu, klingt aber immer wieder beeindruckend. Dann wurden Finger in einige der vielen Wunden gelegt, denn kaum ein Wirtschaftszweig bewegt sich, getrieben vom individuellen Freiheitsdrang, so sehr zwischen einträglicher Professionalität und unentrinnbarem Prekariat. Die Bandbreite der Probleme, mit denen die SPD im Rahmen ihres „Kreativpakts“ bereits seit 2009 aufräumen will, reicht dabei von der Frage angemessener Vergütung von Urheberrechten über Altersversorgung, Schulpolitik und Mietpreise in Ballungsräumen bis zur flächendeckenden Versorgung mit Breitband-Internet. Steinbrück sortierte sich in die „Generation Plattenladen“ ein und bezeichnete, als seine Rede auf das Thema Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik kam, den Laptop als „Werkbank des 21. Jahrhunderts“.

In der ersten der beiden Diskussionsrunden wurde von der Journalistin und Autorin Katja Kullmann klar gestellt: „Nicht alle Kreativen sind mit dem Hamburger Stadtmarketing einverstanden.“ Kullmann betonte, um den gängigen Klischees über selbstbestimmte Freischaffende ihr sonniges Gemüt zu nehmen, dass es unter den „Culturepreneurs auch einen großen Anteil an Notselbständigkeit“ gibt. Tim Renner, ehemals in der Chefetage der aus Hamburg abgewanderten Plattenfirma Universal tätig, sagte zum Mentalitätsunterschied zwischen Hamburger und Berliner Kreativen: „In Hamburg ist wichtig, was man tut - in Berlin zählt die Idee.“

Für die lokaleren Aspekte der Förderung von Kreativen, Künstlern und Kreativwirtschafts-Branchen trat zunächst die Hamburger Kultursenatorin (und Ex-Berlinerin) Barbara Kisseler ans Podium, die erwartungsgemäß der Meinung ist, dass es sich in Hamburg entschieden besser als in Berlin von Kreativwirtschaft leben lasse. Sie machte aber auch unmissverständlich klar: „Förderung von Kreativwirtschaft ist das eine, die Förderung von Kultur ist etwas anderes.“ Und überhaupt: „Kunst muss nicht funktionieren.“ Sowohl Scholz auch als Steinbrück hatten die Deichtorhallen zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen. Damit verpassten sie eine weitere Diskussion, unter anderem mit Amelie Deuflhard (Kampnagel) und Eva Hubert (Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein), die sich vor allem in die Mühen der lokaleren Ebenen begab.

Für die Hamburger Kreativwirtschaft – und viele Künstler – läuft es dabei immer wieder auf die Suche nach passenden Flächen hinaus, die ihrer Kreativität den notwendigen Freiraum geben. Dafür ist seit drei Jahren Egbert Rühl mit der Hamburg Kreativ Gesellschaft zuständig, der anfangs eine umfangreiche Erfolgsbilanz seiner bisherigen Arbeit zog. Obwohl Kisseler in ihrer Rede berichtet hatte, dass die Stadt an 10.000 Quadratmetern zu günstigen Konditionen in der Speicherstadt sowie weiteren 8000 Quadratmetern im Oberhafenquartier arbeite, musste Rühl zu seiner Arbeit in der selbsterklärten Musikmetropole Hamburg aber auch einräumen: „Probenräume für Musiker sind hier ein gigantisches Problem. Da finden wir keinen richtigen Zugang.“

Weitere Infos unter www.kreativpakt.org