Der Name Thor Heyerdahl jr. brachte ihm Aufmerksamkeit, später gefiel es ihm nicht mehr so gut. Heute ist der 74-Jährige Leiter des „Kon-Tiki“-Museums. Die Filmemacher hat er bei der Arbeit beraten.

Hamburger Abendblatt: Herr Heyerdahl …

Thor Heyerdahl jr.: Wie bitte? Sie müssen entschuldigen! Ich habe ein Hörproblem, seit ich als junger Mann als Panzerkommandant an der norwegisch-sowjetischen Grenze patrouilliert habe.

Das klingt gefährlich.

Heyerdahl: War es aber nicht. Man hatte uns zwar befohlen, nicht zu fraternisieren, aber wir haben trotzdem gewinkt und gelächelt. Aufeinander gezielt haben wir nur mit Schneebällen. Am Polarkreis waren solche Begegnungen nur halb so gefährlich wie in Mitteleuropa.

„Kon-Tiki“ ist nicht der erste Anlauf gewesen, um das Leben Ihres Vaters auf die Leinwand zu bekommen. Haben Sie von den anderen Versuchen etwas bemerkt?

Heyerdahl: Alle großen Hollywood-Studios hatten meinen Vater um die Rechte gebeten, das Leben mit meiner Mutter auf Fatu Hiva und die „Kon-Tiki“-Expedition verfilmen zu können. Er hat die Angebote immer wieder abgelehnt, weil er Angst hatte, sein Leben zu kommerzialisieren und nicht als Wissenschaftler angesehen zu werden. Er hasste es, wenn man ihn als Abenteurer bezeichnete, auch wenn er natürlich ein abenteuerliches Leben geführt hat. Als die Macher dieses Films an ihn herangetreten sind, ist es ihnen gelungen ihn zu überzeugen, dass es doch eine gute Idee sein könnte. Etwas zögerlich hat er dann zugesagt, ungefähr zwei Jahre vor seinem Tod.

Gestorben ist er 2002. Hat er noch etwas von den konkreten Filmplänen erlebt?

Heyerdahl: Er hat noch eine Drehbuchversion akzeptiert. Ich habe nach seinem Tod die Verantwortung für das Projekt geerbt. Mir ist wichtig, dass es nicht mein Film ist, sondern auf den Ideen der Filmemacher basiert. Ich habe aber alle ihre Fragen ehrlich beantwortet, ihnen das Archiv zur Verfügung gestellt und war eine Art Ratgeber.

Mögen Sie das Endprodukt?

Heyerdahl: Der Film kommt sehr nah an die Wahrheit heran, er ist fast schon dokumentarisch. Mein Vater und meine Mutter sind von den Schauspielern auf eine Weise beschrieben, dass sie dem Bild meiner Eltern, das ich in meinem Herzen aufbewahre, fast schon zu nahe kommen. Sie haben sie mit Würde und Respekt porträtiert und haben sich nur wenige künstlerische Freiheiten genommen. Zu wenig berücksichtigt haben sie nur, wie entspannt der Großteil der Überfahrt verlief. Die Männer auf dem Floß waren gute Freunde und haben die Reise genossen. Mein Sohn Olav hat sie vor sieben Jahren wiederholt. Er sagt auch, dass es keine dramatische Expedition war, sondern eher eine Vergnügungsreise. Auf der Leinwand wirkt es wie ein Action-Film. Aber man kann wohl keinen Kassenknüller drehen, wenn man immer nur halbnackte Männer beim Sonnenbaden zeigt.

Ihr Vater war sicher selten zu Hause. Wie erinnern Sie sich als kleines Kind an Ihre Eltern?

Heyerdahl: Meine ältesten Erinnerungen sind aus der Zeit, als ich vier Jahre alt war. Wir waren damals in Kanada, der Zweite Weltkrieg hatte gerade begonnen. Mein Vater meldete sich freiwillig und wurde zum Fallschirmspringer ausgebildet. Er wurde dann nach Nordnorwegen geschickt, wo er kämpfen sollte. Er verließ uns, und wir blieben in Kanada, bis der Krieg zu Ende war. Meine Mutter sagte beim Abschied zu mir: „Kneife ihn, rieche ihn, er kommt vielleicht nicht mehr zurück!“ Sie hat mir dann erklärt, worum es in dem Krieg ging. Seitdem war ich immer besorgt: Wo ist Papa jetzt? Ich habe ihn vermisst, es war ein Verlusterlebnis. Ich habe dafür einen Preis bezahlt. Andererseits: Wäre er immer zu Hause geblieben, wäre er nicht Thor Heyerdahl gewesen. Ich habe ja auch davon profitiert, dass ich sein Sohn bin.

Haben Sie Ihre Kinder diesen Preis auch bezahlen lassen?

Heyerdahl: Nein. Ich bin bis vor 30 Jahren Ozeanograf und Fischereiexperte gewesen, habe im Auftrag der Vereinten Nationen im Indischen Ozean gearbeitet. Nachdem ich ein halbes Jahr von zu Hause weg war und mit dem Flugzeug wieder in Norwegen gelandet bin, haben mich meine Frau und meine Kinder dort abgeholt. Ich habe meine Frau in den einen Arm genommen und meine Tochter in den anderen. Mehr Arme hatte ich ja nicht. Da hat mir jemand vor das Schienbein getreten. Es hat wirklich wehgetan. Das war mein zwei Jahre alter Sohn Thor, der seinen Vater nicht wiedererkannte. Danach habe ich mir vorgenommen, nicht so zu leben, dass meine Kinder mich nicht erkennen und habe gekündigt. Den Rest meines Berufslebens war ich Lehrbeauftragter im Gymnasium meiner Heimatstadt. Ich habe also die wissenschaftliche Karriere geopfert, weil ich es am Körper und in der Seele spüren konnte, wie es ist, wenn der Vater nie da ist. Es war die Sache wert. Ich bin seit 45 Jahren mit derselben Frau verheiratet.

Wie ist es dazu gekommen, dass Sie das „Kon-Tiki“-Museum leiten?

Heyerdahl: Ich habe versucht das zu vermeiden, denn ich wollte nicht der Klon meines Vaters sein. Ich habe ja schon denselben Namen. Viele Leute finden auch, dass ich ihm ähnlich sehe.

War es für Sie eine Last, mit diesem Namen leben zu müssen?

Heyerdahl: Ja und nein. Als Kind war ich stolz auf ihn. Wegen seiner Abenteuer bekam ich viel Aufmerksamkeit. Als Teenager war es schwer, weil man von mir erwartete, seinen Fußspuren zu folgen. Das habe ich absichtlich vermieden, indem ich nicht Archäologie oder Ethnologie, sondern Ozeanografie studiert habe. Aber worum geht es da? Um die Weltmeere. Und dort ist mein Vater gesegelt. Ich wurde also gegen meinen Willen in sein Kielwasser gezogen. Aber das hat mich ihm auch wieder näher gebracht. Auch als Wissenschaftler, denn ich konnte ihm Ratschläge geben und seine Reisen planen. Wer, wenn nicht ich, hätte also das „Kon-Tiki“-Museum leiten sollen?

Warum haben Sie trotz der Schwierigkeiten Ihren Vornamen aber an Ihren Sohn weitergegeben?

Heyerdahl: Ach wissen Sie: Mein Großvater hieß Thor und mein Vater. Ich heiße so, mein Sohn und sogar mein Enkel tragen diesen Namen. Davor hießen die Männer in unserer Familie über Generationen Thorvald. Das geht so weiter, bis man schließlich bei Adam ankommt.