Pomp und Prominenz: 400 Gäste feierten im Altonaer Cruise Center den 60. Geburtstag der bekanntesten deutschen Nachrichtensendung
Hamburg. Der Teppich ist natürlich blau. Blau wie das "Tagesschau"-Logo, das seit 60 Jahren den Fernsehabend um 20 Uhr einläutet. Selbst unter die Begrüßungshäppchen hatten sich gummiartige Exemplare in blauer Farbe gemogelt. Moderator Frank Plasberg zog die Augenbrauen hoch, zögerte und griff dann doch lieber zum benachbarten Forellenhäppchen. Das gesamte Cruise Center Altona, in dem die Jubiläumsgala der "Tagesschau" am Donnerstag mit Pomp und Prominenz gefeiert wurde, erstrahlte in bläulichem Licht. Nur die Anzüge der geladenen Herren waren ausnahmslos schwarz, grau, anthrazitfarben.
"Guten Abend, meine Damen und Herren", grüßten unablässig "Tagesschau"-Moderatoren von Monitoren, die neben der Garderobe standen. "Guten Abend", echote halb amüsiert, halb genervt Kulturkritiker Hellmuth Karasek. Moderator Plasberg bewunderte Babyfotos auf dem iPhone seines Gesprächspartners. "Tagesthemen"-Frontmann Tom Buhrow sprach geduldig in jedes Mikrofon, das vor seiner Nase wedelte, Ulrich Wickert und Stefan Aust sorgten für Hochstimmung bei den Fotografen.
"Wenn das die richtige ,Tagesschau' wäre, hätten wir jetzt ein Problem", mahnte Moderatorin und Nachrichtensprecherin Judith Rakers um 20.13 Uhr die rund 400 fröhlich plaudernden Gäste, als der berühmte "Tagesschau"-Gong deutlich verspätet ertönte - ein Geräusch, das so vertraut klingt wie im Fernsehen sonst nur der "Tatort"-Vorspann.
Man feiere an diesem Abend ein ganz besonderes Geburtstagskind, sagte Rakers. Schließlich seien so gut wie alle Gäste "mit der ,Tagesschau' aufgewachsen". In der Tat, an diesem Abend liefen über den blauen Teppich weniger Vertreter der Generation Facebook als vielmehr gestandene Medienleute, Kulturschaffende und Politiker der Stadt. Und natürlich die wichtigsten Köpfe der ARD-Nachrichtensendung, die sie über sechs Jahrzehnte hinweg geprägt haben. Chefsprecher Jan Hofer feierte mit seinen Kollegen Susanne Daubner und Jens Riewa sowie den Ehemaligen Jo Brauner, Wilhelm Wieben und Dagmar Berghoff, die in einer Talkrunde auf ihre Zeit bei der Nachrichtensendung zurückblickten, die um acht Uhr abends knapp neun Millionen Menschen einschalten. Bei so vielen Zuschauern kann man sich ein wenig Selbstironie leisten. Sie kam an diesem Abend in Form eines Videos mit den unterhaltsamsten Pannen daher.
Nach der Begrüßung der Gäste durch NDR-Intendant Lutz Marmor, Kai Gniffke, Chefredakteur ARD-aktuell, und ARD-Programmdirektor Volker Herres diskutierten die Gastgeber mit Moderatorin Anne Will und "Spiegel"-Chefredakteur Georg Mascolo Herausforderungen im digitalen Zeitalter und die gesellschaftliche Funktion der Nachrichtensendung, die 1952 das erste Mal in die deutschen Wohnzimmer gesendet wurde. Anne Will erinnert sich aus ihrer "Tagesschau"-Zeit vor allem an den 11. September 2001. "Da ging so ein richtiger Motor los, das war ein unglaubliches Erlebnis."
"Spiegel"-Mann Mascolo, der in seiner Rolle als "Party-Crasher" eine gute Figur machte, bemerkte etwas spitz, dass er der einzig "systemfremde Gast" sei, der anlässlich des 60. Geburtstags der "Tagesschau" auf der Bühne sitze. Dieses Jubiläum sei schon bemerkenswert, die "Tagesschau" sei eine sehr deutsche Institution. Sie sei "immer pünktlich, fast immer fehlerfrei und ein bisschen humorlos".
Mit der "Tagesschau", ergänzte er noch, sei er vom Jungen zum Mann geworden. "Erst musste ich vor, dann durfte ich nach der ,Tagesschau' ins Bett gehen." Aber eigentlich habe ihn damals die "Tagesschau" nicht so interessiert wie das, was danach kam.
Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel teilte per Videobotschaft ihre Glückwünsche mit. Sie habe die "Tagesschau" schon gesehen, als sie es eigentlich noch gar nicht gedurft hätte, ließ sie die Feiergemeinde wissen. Merkel wuchs bekanntlich in der ehemaligen DDR auf, wo das Westfernsehen den Machthabern ein Dorn im Auge war.
Die Gäste ließen sich gebratene Jakobsmuscheln, Rinderfilet mit Rotweinsauce und winterlichem Gemüse sowie Passionsfrucht-Schokoladencreme mit Mango und Karamellcrunch schmecken. Unter ihnen waren Justizsenatorin Jana Schiedek und Weihbischof Hans-Jochen Jaschke, die "Stern"-Chefredakteure Thomas Osterkorn und Andreas Petzold, Ballett-Intendant John Neumeier und Bundesminister a. D. Manfred Lahnstein. Es war schon spät, als die "Tagesschau"-Gala allmählich auf die Zielgerade einschwenkte. Aber man wird schließlich nur einmal sechzig.