Jenny Elvers-Elbertzhagens Auftritt in der NDR-Sendung bot echte Unterhaltung. Ein viel zu selten gewordener authentischer Moment.
Hamburg. Langweilen wir uns beim Fernsehen vielleicht manchmal auch, weil alles so glatt gebügelt ist, so vorhersehbar? Jede Talkshow mit ähnlichen Gästen, die die gleichen Thesen von sich geben? Oder Moderatoren, die außer peinlich aufgekratzt ins Mikro zu schreien über keinerlei Talente verfügen? Wo sind sie hin, die authentischen Momente, in denen Unvorhersehbares, Ungeplantes passiert? Etwas, das nicht vorher abgesprochen, durchgekaut und für ausgewogen befunden worden ist?
Vielleicht gab es so einen überraschenden Moment am Montagabend beim NDR-Vorabendmagazin "DAS!", als Bettina Tietjen Jenny Elvers-Elbertzhagen auf dem roten Sofa zu Gast hatte und Elvers nicht nur im Gesicht ein wenig aus der Form geraten war. Sie erzählte, sichtlich derangiert und pausenlos kichernd, sie sei als Schmuckdesignerin in Paris begehrt, konnte kaum eine Frage beantworten und malte nie Gesehenes drauflos. All dem begegnete Moderatorin Bettina Tietjen mit Souveränität und Gelassenheit, als sei's der ganz normale Fernsehalltag. Das war echte Unterhaltung.
Breitbeinig sitzt Jenny Elvers-Elbertzhagen auf dem Sofa. Die Moderatorin spricht mit der Schauspielerin über den Schmuck, den sie designt. JEE kichert, beugt sich vornüber: "Ich zauber jetzt mal einen Ring", sagt sie hinter einem Haarvorhang und bemalt ein Stück Papier. Bettina Tietjen hält munter das Gespräch in Gang: "Was gibst du so maximal beim Friseur aus?", fragt sie, und Elvers schaut auf. "Äähähähähähä", lacht sie schelmisch, "je nachdem, was ich so vorhab, mal rot, mal blond, mal braun." "Das wird jetzt was?", fragt Tietjen die wieder zeichnende JEE, und bekommt dann von ihr ein bekritzeltes Blatt hingehalten, das dem eines Dreijährigen ähnelt, der sein Muttertagsgeschenk präsentiert und eher sportlich begabt ist. "Ja, das nimmt schon Formen an", kommentiert Tietjen ungläubig und hält das Blatt in die Kamera. Spätestens jetzt brüllt man als Zuschauer. Auch weil Elvers nun noch grinsend und schwer schaukelnd ausplaudert, sie werde demnächst Marlene Dietrich spielen. Ach? So wie in Maximilian Schells Film vielleicht, als die Diva nur hinter einer Tür zu hören war?
In einem Telefoninterview mit RTL sagte Ehemann Götz Elbertzhagen gestern Abend: "Meine Frau hat ein schweres gesundheitliches Problem, welches wir jetzt angehen werden." Was sie genau hat, wollte er nicht sagen. Die NDR-Pressestelle teilte zum Elvers-Auftritt mit, der Schauspielerin "ging es nicht gut". Es sei aber "nicht abzusehen gewesen, dass das Gespräch schwierig werden könnte".
Nein, das Gespräch war großartig. Eben nicht abgesprochen, glatt geplättet, austariert. Und deshalb lebendig, echt. Liebe Verantwortliche, in Wahrheit lechzen wir doch nach viel mehr solch authentischer Momente. Wir erinnern uns an die Autorin Karin Struck, die sich in einer NDR-Talkshow wütend protestierend die Unterwäsche auszog. In einer Sendung, in der auch Angela Merkel zu Gast war. Und wie lebendig war's bei "3 nach 9", als eine Feministin einem Bordellchef Rotwein in den Nacken goss oder als der Politclown Fritz Teufel dem damaligen Finanzminister Hans Matthöfer Zaubertinte aus einer Wasserpistole entgegenschoss? Ganz zu schweigen, was passierte, als der Schauspieler Klaus Kinski lostobte. Gerade deshalb wurde er so gerne eingeladen.
Heute soll es lieber gesittet zugehen, kein Hauen, Pöbeln, Trinken. Das wäre politisch nicht korrekt. Und irgendeiner könnte sich auf den Schlips getreten fühlen. Schade ist das. Auch weil kaum noch einer Schlips trägt.