HAMBURG. Kein Fußball, kein Radsport. Die Sport-Moderatorin Monica Lierhaus hat die Disziplin gewechselt: Für ihr Buch "Unsere Zukunft ist jetzt", das sie im Herbst 2007 in der Buchhandlung Heymann vorstellte, interviewte die gebürtige Hamburgerin zehn Kinder und Jugendliche in Deutschland und verglich deren Erfahrungen mit ihren eigenen.

ABENDBLATT: Sie sind 2005 für Unicef in Uganda gewesen und haben Kindersoldaten getroffen. Wie haben Sie das erlebt?

MONICA LIERHAUS: Ich sprach mit ehemaligen Kindersoldaten, die gezwungen waren zu rauben, zu morden und zu vergewaltigen, die jahrelang in Todesangst lebten. Sie erzählten mir von einem "Begrüßungsritual": Sie mussten sich in einem Kreis aufstellen, willkürlich wurde ein Kind aufgefordert, ein anderes totzuschlagen. Wer sich weigerte, wurde selbst getötet. Die Begegnungen dort haben mich verfolgt. Es hat lange gedauert, bis ich wieder in meiner Normalität angekommen bin.

ABENDBLATT: Hat Sie das zu Ihrem Buch über deutsche Kinder und Jugendliche inspiriert?

LIERHAUS: Ja. Es mag vielleicht ungewöhnlich erscheinen, dass jemand, der selbst keine Kinder hat, ein Buch darüber schreibt. Doch mein Lebensgefährte hat zwei Kinder. Und ich selbst habe immer gern Kinder im Tennis unterrichtet.

ABENDBLATT: Sie haben zehn Teenager interviewt - hat Sie irgendeine Erkenntnis überrascht?

LIERHAUS: Überraschend für mich war die Angst vor dem Krieg. Ich bin ja in einer Zeit groß geworden, als der Krieg noch viel präsenter war, meine Tante fürchtete immer noch, "die Russen" würden kommen, und an vielen Gebäuden hingen Fahndungsplakate von RAF-Terroristen, und trotzdem habe ich mich nie bedroht gefühlt. Die heutige Angst der Kinder liegt wohl an der Erfahrung des 11. September. Nahezu alle Kinder hatten die Bilder im Kopf und konnten beschreiben, was sie gesehen hatten.

ABENDBLATT: Gibt es etwas, was die Jugendlichen verbindet?

LIERHAUS: Es hat mich erstaunt, dass es keine speziellen Gruppierungen mehr gibt. Wir wären früher gerne Mods gewesen, sind aber in der Popper-Fraktion gelandet. Und wir waren politisch interessiert. Das ist kaum noch der Fall. Es scheint eine politisch desinteressierte Generation heranzuwachsen. Beim Wort Politik fallen Floskeln wie: "Die machen doch ohnehin, was sie wollen." Beeindruckt hat mich der familiäre Zusammenhalt. Allen Jugendlichen ist die Familie, sind ihre Geschwister, Eltern und Großeltern sehr wichtig.

ABENDBLATT: Welche Defizite hat diese Generation?

LIERHAUS: Ich habe das Gefühl, dass viele darunter leiden, dass es keine Umgangsformen und keinen Respekt mehr gibt. Sie beklagen das und sind gleichzeitig nicht in der Lage, anders zu handeln. Das gesellschaftliche Klima ist insgesamt viel rauer geworden. Die Kinder heute haben nicht mehr den Blick für andere, sind sehr auf sich fixiert. Ich habe schon das Gefühl, dass meine Kindheit sehr viel unbeschwerter war: Meine Mutter war nur für uns da, mein Vater verdiente das Geld für die Familie. Heute ist das so nicht mehr möglich.

ABENDBLATT: Machen sich die Kinder und Jugendlichen Sorgen um ihre berufliche Zukunft?

LIERHAUS: Manche ja, andere sind völlig gleichgültig, was aus ihnen wird. In afrikanischen Ländern zum Beispiel ist das grundsätzlich anders. Die Kinder dort wünschen sich, neben Essen, vor allem Schulbücher, um Englisch lernen zu können. Sie wollen unbedingt Bildung, weil sie wissen, dass nur so eine bessere Zukunft möglich ist. Diese Botschaft ist bei uns noch nicht angekommen - vielleicht, weil es uns jahrelang zu gut ging.

ABENDBLATT: Was würden Sie Ihren eigenen Kindern als wichtig vermitteln wollen?

LIERHAUS: Ich würde versuchen, ihnen ähnliche moralische Werte zu vermitteln wie die, die meine Eltern mir mitgegeben haben. Außerdem würde ich ihnen erklären, dass es im Leben schon nach dem Leistungsprinzip funktioniert. Man muss hart arbeiten, um einen gewissen Status zu erreichen. Paris Hilton taugt da nicht als Vorbild.

  • "Unsere Zukunft ist jetzt" , Scherz Verlag, 288 Seiten, 18,90 Euro