Dieter Moor, neuer Moderator von “titel, thesen, temperamente“, über Klogespräche, Kirschen und Kultur.

Hamburg. Dieter Moor muss aufs Klo. Also, genau genommen muss er nicht. Er soll . Zum Interview. "Wegen der Akustik", sagt die Kollegin vom Hörfunk und wedelt mit ihrem Mikrofon. "Aha", sagt Dieter Moor, der an diesem Sonntag seinen Dienst als neuer Moderator des ARD-Kulturmagazins "ttt - titel, thesen, temperamente" antritt. "Na dann." Er nimmt sich eine Zigarette, dreht sich nach seiner Pressefrau um und ruft ihr im Hinausgehen zu: "Wenn ich in zwanzig Minuten nicht zurück bin, dann kommt doch bitte mal nachschauen!" Er kommt zurück. Weitgehend unbeschädigt. Und rechtzeitig zum nächsten Interview. Diesem.

ABENDBLATT: War das eben Ihr erstes Klo-Interview?

DIETER MOOR: Allerdings. Ich hätte auch nicht gedacht, dass es je eines geben würde.

ABENDBLATT: Damen oder Herren?

MOOR: Herren. Ich hätte es ja interessanter gefunden, wenn wir aufs Damenklo gegangen wären. Aber da war besetzt.

ABENDBLATT: Grundsätzlich aber dürfte Ihnen der Ausflug doch liegen. Sie wohnen als Schweizer in Brandenburg, arbeiten als Bauer beim Fernsehen und leben als Kulturfreund auf dem Land. Sie mögen's exotisch?

MOOR: Es ist ja gar nicht so exotisch. Dass man es als Schweizer in der Schweiz nicht aushält, ist ein Phänomen, das nicht nur mich betrifft. Und auf dem Land bin ich, weil man sich, wenn die Haare langsam grau werden, doch überlegt, mal was Langfristiges zu machen. Fernsehen ist ja nicht langfristig. Am Ende hat man ein paar Videokassetten oder DVDs. Land zu bewirtschaften ist anders, dort mache ich Dinge, deren Ergebnis vielleicht auch erst meine Tochter spürt. Eine Hecke pflanzen, eine Wiese anlegen. Das klingt immer kitschig, wenn man es beschreibt, aber es ist ja trotzdem so. Wir wollen uns auch nicht abschotten auf einer "Insel der Seligen", aber wir werden dort eben alt, und es soll Wirkung haben. Deshalb haben wir auch den Verein gegründet: Arschlochfreie Zone e. V..

ABENDBLATT: Wie bitte heißt der?

MOOR: Offiziell natürlich anders. "Alternativen für die Zukunft", was grässlich klingt. Uns fiel nichts Besseres ein für "AFZ". Aber eigentlich heißt er Arschlochfreie Zone. Es geht darum, Dinge zu verknüpfen, die auf den ersten Blick nicht zu verknüpfen sind. Wie zum Beispiel einen Biobauernhof mit einem Literaturwissenschaftler oder einem Werbeguru oder einer Musikprofessorin, und zu schauen, was sich entwickelt.

ABENDBLATT: Trotzdem ist es für Kulturliebhaber auf dem Land ja nicht so einfach. Ich vermute, Sie müssen - schon fürs Vieh - morgens früh raus. Fahren Sie abends trotzdem noch nach Berlin in die Oper?

MOOR: Ich gebe zu, die Kultur hat es nicht leicht auf dem Land. Wir stehen um sechs Uhr auf. Das reicht, zum Glück haben wir keine Milchwirtschaft. Und ich würde es auch in die Oper schaffen, wenn ich es planen würde. Aber die Kultur hat echte Konkurrenz, wenn man an einem schönen Abend im Kirschbaum sitzt.

ABENDBLATT: Wie machen Sie das künftig? Als Moderator eines Kulturmagazins sollten Sie doch nicht nur über Kirschen informiert sein, oder?

MOOR: Ja, das ist der Vorteil des neuen Jobs: Er zwingt mich. Das ist ja etwas anders, als wenn man sagt: Ich könnte, aber ich muss nicht. Das ist eben die Gefahr auf dem Land, die ich aber ich nicht als so schlimm empfinde. Es relativiert vieles. Wenn Sie durch die Natur gehen und sich die Bäume ansehen: lauter Kunstwerke! Auch das klingt kitschig, aber ich muss damit leben, dass es kitschig klingt.

ABENDBLATT: Sie haben sich gewünscht, nicht mehr nur aus der Studiokulisse zu moderieren. Ist das von den Redaktionen erfüllt worden?

MOOR: Wir wollen es nicht dogmatisch sehen. Man muss nicht immer im Studio sein. Man muss aber auch nicht immer nicht im Studio sein.

ABENDBLATT: Wie viel Einfluss haben Sie als Moderator auf die Sendung?

MOOR: Am Anfang wenig. Ich bin ja der Neue, muss mich erst reinfriemeln. Ich finde es richtig, zunächst kleine Schritte zu machen. Aber ich wünsche mir, dass wir subjektiver werden, auch mal verärgern dürfen.

ABENDBLATT: Sie verstehen die Rolle des Moderators als Verkäufer. Muss man Kultur anpreisen?

MOOR: Ich denke, schon. Nicht Kultur generell, aber Fernsehen ist ein sich anpreisendes Medium. Wir haben ein Produkt, ein sehr hochwertiges, und der Moderator hat die Aufgabe, das Produkt so an den Mann oder die Frau zu bringen, dass die Lust haben, es zu sehen. Ich finde das Wort Produkt auch nicht negativ. Jeder Fassbinder-Film ist am Ende ein Produkt.

ABENDBLATT: Sie sind ja nicht der einzige neue "Verkäufer" in der ARD. Wie gefallen Ihnen die Kollegen Will und Plasberg oder Schmidt und Pocher?

MOOR: Ich hab mich sehr darüber gefreut, dem Schmidt ausgerechnet den Pocher an die Seite zu stellen.

ABENDBLATT: Klar. Weil Sie auf Stilbrüche stehen. Kirschen und Kultur, Kühe und Klo-Interviews, Schweizer Berge und Brandenburg, Schmidt und Pocher.

MOOR: Genau. Egal, was passiert, es lebt wieder.

  • "ttt - titel, thesen, temperamente" mit Dieter Moor. Sonntag, 23.00 Uhr ARD