Freunde, Kollegen und Weggefährten würdigen die Schauspielerin Susanne Lothar, die überraschend im Alter von 51 Jahren verstorben ist.
Hamburg. Der Tod der Schauspielerin Susanne Lothar bewegt Publikum, Weggefährten und Kollegen. Am Donnerstag war Lothar, die als eine der größten Charakterdarstellerinnen Deutschlands galt, überraschend im Alter von 51 Jahren in Berlin gestorben. Dem Hamburger Theaterpublikum wird sie für immer als Zadek-Schauspielerin in der Schauspielhaus-Inszenierung von "Lulu" (1988) und mit ihrem schonungslosen Spiel an der Seite ihres 2007 verstorbenen Mannes, Ulrich Mühe, in Sarah Kanes "Gesäubert" in den Kammerspielen präsent sein. Kinogänger erinnern sie in der Gewaltstudie "Funny Games" und als Hebamme in "Das weiße Band", zwei herausragenden Arbeiten, die sie mit dem österreichischen Filmregisseur Michael Haneke zusammenführten.
Sie war gefährdet
Sie war eine hochempfindliche, hochsensible und sicher auch gefährdete Schauspielerin. Ich finde das sehr, sehr tragisch, dass sie nicht mehr bei uns ist und man sie nicht mehr auf der Bühne sehen wird. Ich habe sie bei den Proben zu Sarah Kanes "Gesäubert" in der Regie von Peter Zadek an den Kammerspielen erlebt, die ich damals gemeinsam mit Ulrich Tukur geleitet habe.
Sie war auch in ihrem Anspruch an den Beruf etwas ganz Besonderes. Vor zweieinhalb Jahren haben wir zuletzt über eine Rolle gesprochen. Sie mochte das Stück nicht und wollte nicht darin spielen, was schade war, denn ich fand sie absolut ideal für diese Rolle. Es ist selten, dass man einer Schauspielerin als Regisseur schreibt, aber nachdem ich sie in "Lulu" gesehen hatte, konnte ich nicht anders. Ich habe meiner Begeisterung Ausdruck verschafft, in dem ich ihr einen sehr liebevollen und begeisterten Brief geschrieben habe.
Ulrich Waller, Leiter des St.-Pauli-Theaters, gestern am Telefon
Groß und authentisch
Hamburg trauert um eine große Schauspielerin, die sich insbesondere dadurch auszeichnete, dass sie mit ihrem intensiven Spiel auf der Bühne und auf der Leinwand immer eine geradezu verstörende Nähe zu ihrem Publikum erzeugen konnte. Susanne Lothar war unglaublich wandelbar und doch hatte man immer das Gefühl, einem zerbrechlichen und verletzlichen Menschen gegenüberzustehen, dessen Authentizität in der Rolle einen nicht loslässt. Susanne Lothars Name wird immer mit dem Deutschen Schauspielhaus verbunden bleiben, an dem sie in kongenialer Zusammenarbeit mit Peter Zadek ein Stück Theatergeschichte geschrieben hat.
Barbara Kisseler, Kultursenatorin
Alles ging ihr zu langsam
Suse Lothar war für mich in der Arbeit eine Herausforderung im besten Sinne: Sie war von Anfang an maßlos, aber immer im Kampf für die Rolle. Sie wollte die Mutter von Gudrun Ensslin noch komplexer, noch widersprüchlicher zeigen. Sie wollte mehr Dialog, mehr Szenen, mehr Raum im Film. Sie kämpfte um die Tiefe der Figur - was kann einem Regisseur besseres passieren. Sie hatte eine Gabe, die nur wenige Schauspieler haben: nicht das zu zeigen, was die Szene vordergründig hergab. Suse Lothar verband ihre Obsession mit einer feinen Präzision, die ihrer Rolle immer auch etwas Schwebendes, Nicht-Eindeutiges gab.
Wir trafen uns auch nach dem Film öfters. Wir hatten Pläne zusammen. Ihr ging es immer zu langsam. Mach was, aber bitte bald. Sie hatte ihre eigene Vorstellung von Zeit. Sie wird gewusst haben, warum. Suse, ich vermisse dich schmerzhaft.
Andres Veiel, Filmregisseur- und Autor, der mit Susanne Lothar "Wer wenn nicht wir" (2011) drehte, gestern per E-Mail
Wir haben viel gelacht
Ich war völlig fertig, als ich das hörte. Wir haben nie zusammen gespielt, da ich in früheren Tagen mit Peter Zadek zusammenarbeitete als sie, aber ich teilte mir eine Garderobe mit ihr am Schauspielhaus damals - anlässlich David Mamets "Edmont". Sie war so lustig, ich habe so viel gelacht mit ihr. Ihre ungewöhnliche Art kam ihr in einem Film wie "Das weiße Band" sehr zugute.
Brigitte Janner, Schauspielerin (u.a. bei Peter Zadek), gestern am Telefon
Wirkliche Schauspielerin
Sie war eine wirkliche Schauspielerin. Was sie spielte, musste sie auch leben. Viele stellen her - und sie hat nicht hergestellt. Wenn sie einen mochte, konnte man von ihr alles haben.
Luc Bondy, Regisseur, gestern gegenüber Deutschlandradio Kultur
Eine unersetzbare Rarität
Ich kannte sonst kaum jemanden, der so eine mutige Schauspielerin war, die sich alles getraut hat. Sie war eine Rarität und unersetzbar. Für den Film und das Theater ist das ein großer Verlust, eine Katastrophe. Ich bin sehr traurig und erschrocken, auch weil ich damit überhaupt nicht gerechnet habe. Uli Mühe und sie waren ja meine beiden Haupt- und Lieblingsschauspieler und die wichtigsten Partner für mich im deutschsprachigen Raum. Das ist schon ein Schock. Sein Tod war für Susanne ein furchtbarer Schlag und sie hat extrem gelitten. Aber dann mit eiserner Disziplin weiter gearbeitet. Wenn man eine Sache aber tausendprozentig macht, dann kann das sehr auszehren.
Michael Haneke, Filmregisseur, drehte mit Susanne Lothar insgesamt vier Spielfilme
Ihr Tod ist unbegreifbar
Am 21. Mai dieses Jahres besuchte ich eine Lesung in den Kammerspielen mit zwei wunderbaren Schauspielern: Sylvester Groth und Susanne Lothar. Anschließend tranken wir noch ein Glas Wein auf der Terrasse, wo es einfach nicht dunkel wurde, ein wundervoller Abend. Susanne Lothar war so heiter und gelöst, sie sah jung und schön aus. Mit großer Umarmung verabschiedeten wir uns, obwohl wir uns nur flüchtig kannten.
Der Verlust ihres schauspielerischen Könnens ist unermesslich. Ich weiß nicht, inwieweit Susanne Lothar fertig geworden war mit dem Tod ihres Mannes, Ulrich Mühe, im Sommer 2007. Mir gefiel einfach, dass sie an diesem Abend so heiter war. Sie ist wieder halbwegs zurück im Leben, dachte ich. Ihr plötzlicher Tod ist für mich unbegreifbar.
Wilhelm Wieben, ehemaliger Sprecher der "Tagesschau", gestern am Telefon
Programmänderungen der TV-Sender: Polizeiruf 110: Die Gurkenkönigin, Fr 27.7., 22.00, ARD Funny Games; Sa 28.7., 0.10, Tele 5