Im Jungen Schauspielhaus inszenierte Barbara Bürk “Alice im Wunderland“ von Lewis Carroll zum Staunen und nur ein bisschen zum Fürchten.

Hamburg. Alles sieht doch ganz normal aus. Die Wohnstube hat Teppiche, weiße Gardinen und eine Kommode mit großen Schubladen. Weil es so heiß ist und langweilig, schläft die kleine Alice ein und die Fantasie geht mit ihr durch. Plötzlich hat die Schwester Hasenzähne, hüpft als weißes Kaninchen in eine Schublade und Alice ihr nach. Nichts ist, wie es vorher war, und alles spielt verrückt: Die Musik, das Licht, die sechs Schauspieler und die Dinge rund um sie herum. Plötzlich steht eine Puppenbühne da, in der Alice als Marionette ganz klein ist und verzweifelt eine Runde heult. Dann wächst sie auf den Schultern ihres Kollegen zum Riesenmädchen und begegnet merkwürdigen Figuren. Zum Beispiel einer dicken, grünen Raupe. Umwerfend komisch kugelt Jonathan Müller über den Boden, schmaucht Wasserpfeife, verdreht die Augen und kritisiert Alice – unverkennbar im Tonfall von Kritikerpapst Marcel Reich-Ranicki. "Falsch, völlig falsch“, nörgelt er nach dem Song von Alice, in dem sich die zauberhafte Angelina Häntsch ulkig durch alte und neue Kinderlieder zappt und vom Publikum spontan Beifall bekommt.

Regisseurin Barbara Bürk gelingt in ihrer Fassung das seltene Kunststück, Lewis Carrolls absurde, wortspielerische Geschichte in deutschen Sprachwitz und vor überrachenden Einfällen sprühende Situationskomik zu übertragen. Kein Wunder, dass die Supertruppe der sechs Schauspieler genau so viel Spaß am skurillen Spiel und den Pointen hat wie das Publikum.

Großen Anteil an diesem hinreißenden und wirklich lustigen Theatervergnügen für Klein und Groß hat der Musiker und Akteur Clemens Sienknecht. Er spielt nicht nur mit Zöpfen die Schwester von Alice, sondern auch das weiße Kaninchen, begleitet am Klavier und Keyboard die Szenen und Lieder von Haselmaus Florens Schmidt, Herzogin Hermann Book und Christine Ochsenhofer als böse Königin. Im alten Radio mit dem giftigen Fliegenpilz drauf schaltet Sienknecht plötzlich auf Meeresrauschen um, benützt auch Plattenspieler, Spieluhr und Theremin für den Klangzauber, der ins Reich der sprunghaften, komischen und manchmal auch bizarren Kinder-Fantasien auf dem Wohnzimmerteppich entführt.

Weitere Vorstellungen vom 12.–16.11. und vom 3.–6.12. im Malersaal des Schauspielhauses,(S/U Hauptbahnhof), Kirchenallee 39, Karten unter T. 24 87 13; www.schauspielhaus.de

Von Klaus Witzeling