Bachs Matthäus-Passion kam in einer Lebendigkeit daher, als hätte Suzuki die Noten eben erst in irgendeiner Bibliothek ausgegraben.

Stade. Wer schon immer wissen wollte, was es mit dem Wort "Kirchenbiorhythmus" auf sich hat, aber nie zu fragen wagte, der gehe einmal im Spätsommer zur Aufführung einer Bach-Passion. Ja, die gibt es, etwa jüngst beim Musikfest Bremen in der barocken St.-Wilhadi-Kirche in Stade.

Es kann sich befremdlich anfühlen, ganz außerhalb des jahreszeitlichen Zusammenhangs mit dem zentralen Topos des christlichen Glaubens konfrontiert zu werden. Dass dieses Befremden sich in Stade alsbald auflöste, ist das Verdienst des Dirigenten Masaaki Suzuki und seines Bach Collegium Japan.

Bachs Matthäus-Passion, die in der Passionszeit in gefühlt jeder zweiten Kirchengemeinde durchgenudelt wird, kam in einer Lebendigkeit daher, als hätte Suzuki die Noten eben erst in irgendeiner Bibliothek ausgegraben. Nichts war aufgesetzt weihevoll; die Tempi waren straff, die Ausführung verblüffend perfekt und bar jeder Eitelkeit. Die Instrumentalisten machten Kammermusik, die Sänger bestachen mit klarer, homogener Klanggebung, ob sie solistisch sangen oder in den Chor zurücktraten. Und das alles so genau und natürlich im Ausdruck, dass das Drama seine Wucht erst richtig entfalten konnte. Da schien am Ende, Kirchenjahr hin oder her, selbst das barocke Kruzifix über dem Altar aufzuleuchten.(vfz)

Heute Abend beim Musikfest Bremen: Royal Concertgebouw Orchestra, Andris Nelsons (Leitung). 20.00, Die Glocke, Bremen. Karten unter T. 0421/33 66 99; www.musikfest-bremen.de