Er selbst sieht seine neue Platte als Poesiealbum. Der Hamburger Hip-Hop-Star mit leichtem Hang zum Kitsch schnellt auf Platz 1 der Charts.

Hamburg/Berlin. Bushido, Sido, Fler: Gangsta-Rapper haben in den vergangenen Jahren das deutsche Hip-Hop-Heft in die Hand genommen. Jugendliche haben sich längst an Texte über Gewalt, Drogen und Sex gewöhnt, die gespickt sind mit Schimpfwörtern und schwulenfeindlichen Sprüchen. Doch es geht auch anders. Nach dem Nummer-1-Album des Bielefelder Rappers Casper steht auch die neue Platte von Samy Deluxe, „SchwarzWeiss“, die in dieser Woche neu auf Platz 1 der deutschen Album-Charts schoss, für einen anderen Hip-Hop.

„Ich will gar nicht schlecht über den heutigen Hip-Hop reden, aber es gefällt mir nicht, dass es in den Texten fast nur noch um negative Werte geht. Das assoziiere ich nicht mit Hip-Hop“, sagt der Rapper Samy Deluxe (33) im dpa-Interview. Er brachte Mitte der 90er-Jahre zusammen mit Bands wie Absolute Beginner, Fünf Sterne Deluxe und Fettes Brot frischen Wind an den deutschen Rap-Himmel. „SchwarzWeiss“ ist sein mittlerweile viertes Studio-Album.

Hoffnung statt Hass – das ist also der Hip-Hop, wie ihn Samy Deluxe versteht. Der Titel „Keine wahre Geschichte“ ist dafür ein Paradebeispiel: Zwei Jugendliche aus dem selben Wohngebiet, beide werden gemobbt, kämpfen um Anerkennung. Der eine versucht es durch Musik, der andere plant einen Amoklauf, bis er den jungen Gitarrenspieler hört. Der Jugendliche bekommt von den Texten des Anderen wieder Hoffnung. Die beiden werden Freunde.

Es ist für deutschen Hip-Hop eine ungewöhnlich kitschige Story - das gibt Samy Deluxe auch offen zu – aber ihm sei die Moral wichtig, rappt er in seinem Song („Ich hätte die Story enden können in einem Massaker. Wahrscheinlich wäre es für die Teenies hier ein Klassiker. Aber ich singe über die Hoffnung so wie Jan Delay, den negativen Scheiß machen Andere“).

„SchwarzWeiss“ ist nicht Herzschmerz oder pure Poesie. Es ist eine gelungene Mischung aus anspruchsvollen, teils gesungenen Texten mit Tiefgang („Eines Tages“) und einer Portion Rap-Entertainment („Hände hoch“). Samy Deluxe nimmt gerne die Szene aufs Korn.

Sozialkritische Texte wie im Track „Wer wird Millionär“ bleiben diesmal die Ausnahme. Nicht ohne Grund, wie der Hamburger erklärt: „Mir war bei diesem Album wichtig, dass politische Themen nicht zu sehr im Vordergrund stehen. Nach dem letzten Album dachten die Leute, ich sei Deutschlands beliebtester Sozialarbeiter. Mein Hauptanliegen ist es aber, einfach nur Musik zu machen.“

Doch die Texte sind und bleiben ein wichtiger Bestandteil der Musik von Samy Deluxe, der mit bürgerlichem Namen Samuel Sorge heißt. Auch seine persönliche Lebenssituation verarbeitet der 33-Jährige auf seinem neuen Album. So schildert der Hip-Hopper, wie schwer es ihm fällt, von seinem Sohn, der in den USA lebt, exakt 8129,517 Kilometer entfernt zu wohnen. Sein Appell an alle Eltern, ihre Kinder „mit viel Wissen zu füttern, ihnen viel Liebe zu geben und Aufmerksamkeit zu schenken“ ist umso ergreifender, als der Rapper ebenfalls ohne Vater aufwuchs. Auch dessen Tod verarbeitet Samy Deluxe musikalisch.

Es ist diese Mischung aus persönlichen, ruhigen Momenten und frechen, chaotischen Wortspielen, die das aktuelle Album des Hamburgers so hörenswert macht. Der Rapper besticht dabei wieder einmal mit seiner Wortakrobatik, mit der er Maßstäbe setzt. Vor allem beim großartigen Song „Poesiealbum“ sprüht der 33-Jährige nur so vor Wortwitz und sorgt beim Zuhörer für das ein oder andere Schmunzeln.

Für Samy Deluxe ist Reimen ein großes Hobby. Er schnappe bei Konversationen häufig Wörter auf und suche im Kopf nach Begriffen, die sich darauf reimen: „Ich höre meinem Gesprächspartner dann gar nicht mehr zu, nicke nur noch. So funktioniere ich“, gibt er zu.

Auch das hebt den „Old School-Rapper“ von der Bushido-Generation ab. Auf seiner Homepage postet der Hamburger regelmäßig Videos, in denen er a cappella und teilweise mehr als hundert Textzeilen in atemberaubendem Tempo rappt – ohne Schnitt: „Das habe ich noch nie jemanden machen sehen. Ich glaube nicht, dass ich der einzige Mensch auf der Welt bin, der es kann. Aber der Einzige, der sich offensichtlich die Zeit dafür nimmt, zu zeigen, dass er es kann.“