Gar nicht kitschig, nicht eine Sekunde: der Berliner Songwriter Moritz Krämer präsentierte im Knust sein Album “Wir können nix dafür“.
Hamburg. Man wäre sehr böse, zöge man ernsthaft eine Verbindung zwischen der den Nacken enorm beanspruchenden Haltung des Musikers Moritz Krämer und den Verspanntheiten seiner Texte. Aber es fällt eben ins Auge, dieses leicht verkrampfte Den-Kopf-beinah-auf-die-Schulter-Legen, während der Mund zartbittere Verse formuliert: "Jetzt denke ich, dass es vielleicht zu früh war / Und dass das Beste eigentlich noch kommt / Und dass ich mich vielleicht in was verrannt hab / Und niemand hinterher kommt."
Vielleicht 150 Leute waren zum Hamburg-Konzert des Berliner Barden ins Knust gekommen, und das waren natürlich viel zu wenig. Nicht stabreimend darf man Krämer nämlich auch die Songwriter-Entdeckung dieses noch jungen Jahres nennen. Beim Hamburger Label Tapete setzen sie zu Recht einige Hoffnungen in den 30-jährigen Krämer, das Debütalbum "Wir können nix dafür" ist eine ganz feine Platte geworden. Und weil man die eingangs erwähnten "Verspanntheiten" auch poetische Selbstvergewisserungen nennen kann, lauschte das Publikum geradezu andächtig der großen Kunst Krämers.
Der nicht mehr ganz junge Mann befindet sich im Stadium der Um-die-30-Jährigen, die nicht wissen, ob die Hoffnung auf das, was da noch kommen mag, den Weltschmerz des Verlorenen aufwiegt. Darin erinnert er einerseits an so ziemlich jeden sensiblen Jungen mit Gitarre, besonders aber an den zuletzt sehr erfolgreichen Gisbert zu Knyphausen. Mit dem war Krämer schon auf Tour; Knyphausen spielte auf selbiger Krämers Song "Mitbewohnerin". Sie sind Seelenverwandte. Krämer scheint indes noch ein wenig schüchterner zu sein als Knyphausen.
Zwischen den Songs hat der Künstler nicht viel zu sagen. Die Songs sprechen für sich. Das muss so sein, das ist die fruchtbare Seite der Melancholie: wenn Alltagsphänomene, wenn das Unvermeidliche in schöne Melodien und schöne Zeilen übersetzt wird. "So ein kitschiger Himmel / Dass er mir die Stimmung versaut / Im Radio läuft irgendwas mit Geigen /Und eine Melodie wird auf Schleife durchgekaut", singt Krämer in "90 Minuten". Er ist gar nicht kitschig, nicht eine Sekunde. Aber komisch, dass er, der gebürtige Schwarzwälder, eine Art verwaschenes Berlinerisch spricht, eigentlich sogar: Hochdeutsch. Was wäre er, sänge er seine traurigen Weisen in badischem Idiom? Ein Liedermacher.
Dann doch lieber nicht süddeutsch.