In Dittrich's gerade veröffentlichtem Buch geht es vor allem um seine Schüchternheit - am Sonntag startet eine neue Staffel seiner TV-Comedy.

Hamburg. Olli Dittrich braucht nicht lange, um sich in seine berühmteste Figur zu verwandeln: "Ich ziehe den Bademantel an. Dann ist er da“, sagt der Komiker, dessen arbeitsloser Imbissbudenbesucher "Dittsche“ längst Kultstatus erreicht hat. "Eigentlich ist er in meinem Alltag sowieso immer dabei.“ Und derzeit besonders: Eine neue Staffel seines Comedy-Wochenrückblicks aus der "Eppendorfer Grillstation“ in Hamburg soll – nach einer Verschiebung wegen der Katastrophen in Japan – nun am Sonntag (20. März/23.15 Uhr) im WDR starten. Außerdem ist gerade seine Autobiografie erschienen, die denselben Titel wie die "Dittsche“-Sendung trägt: "Das wirklich wahre Leben“. Damit geht der 54-Jährige, der sonst die Öffentlichkeit eher meidet, auf eine kurze Lesereise – sein Auftritt gehörte am Donnerstag zum Programm der Leipziger Buchmesse.

Gerade über seine Schüchternheit berichtet Dittrich auch im Buch: "Da ist schon was dran. An Mut zur eigenen Courage mangelt es mir durchaus gelegentlich, im Kleinen wie im Großen“, erzählt er im Gespräch mit Autorin Anne Ameri-Siemens. "Manchmal ist mir das Repräsentieren der eigenen Person in der Öffentlichkeit regelrecht ein Gräuel und dieses ganze Schaulaufen und Posen auf Galas gar nicht mein Parkett.“ Privates hält der Vater eines Sohnes, dem das Buch auch gewidmet ist, ohnehin gern aus den Medien heraus. Bei Ruhm und Rummel um seine Person bleibt er skeptisch: "Es ist immer ganz gut, den Ball flach zu halten und eine gesunde Vorsicht walten zu lassen“, sagt der Hamburger, der 2006 mit der Countryband Texas Lightning Deutschland beim Eurovision Song Contest vertrat. "Applaus ist trügerisch und Erfolg, vor allem im Unterhaltungsgeschäft, nun wirklich keine stete Sache.“

Dass Oliver Dittrich, der als Sohn des Journalisten Kurt Dittrich (einst "Bild“ und "Welt am Sonntag“) im Hamburger Stadtteil Langenhorn aufwuchs, vor dem Erfolg im Scheinwerferlicht ganz dunkle Zeiten durchmachte, hat er bereits früher mal erzählt. Wie finster und schwer dieser Abschnitt für ihn wirklich war – darüber spricht er in dem Buch ganz offen. "Für mich war Angst in fast jeder Form das große Thema. Ängste waren alles, was mich damals noch beschäftigte, besser gesagt, dominierte“, erzählt er. "Eine ungeheuer komplizierte, zehrende Zeit, fast verhängnisvolle Zeit. Sie begann 1983.“ Damals arbeitete er bei der Plattenfirma Polydor, weder Beruf noch Beziehung machten ihn glücklich. Doch er war völlig unfähig und überfordert, seine Geschicke sinnvoll zu lenken und beides zu verändern.

Erst war es die Furcht vor Krankheiten, später vor banalen Dingen – die Angst wuchs zu einem lähmenden Dauerzustand. Was der Komiker über jene Zeit erzählt, vermag man sich kaum vorzustellen: "Mein Essverhalten zum Beispiel folgte fast schon mathematischen Prinzipien: Was ich esse – und wann. Kleinste Dosen sich wiederholender Inhalte. Um Beweise für oder gegen bestimmte körperliche Reaktionen abzuleiten.“ Er kontrollierte ständig Puls und Körpertemperatur und vollführte Tag für Tag im Kopf absurde Zahlenspiele, die ihm Hinweise auf sein Schicksal geben sollten. "Das Datum auf einer Zeitung oder Zahlenangaben in einer Illustrierten, alles, was in mein Blickfeld rutschte, war dort für mich absichtlich hinterlegt.“ Die Zahlen verrechnete er so lange gegeneinander, bis zunächst sein Geburtsdatum herauskam – und dann sein "Todestag“. Dittrich: "Immer wieder ermittelte ich so die Zeit, die mir noch bliebe, quasi "schwarz auf weiß“.“ Angstzustände und Zwänge, denen er erst durch eine Therapie entkam.

Zehn Jahre danach dann sein großer Durchbruch als Komiker in der "RTL Samstag Nacht Show“. Mit Wigald Boning gründete er später Die Doofen – das Duo mit dem Hit "Mief“ erhielt unter anderem einen Echo. Dittrich selbst heimste seither eine Auszeichnung nach der anderen ein, unter anderem für "Dittsche“ und "Blind Date“ mit Anke Engelke. Längst zählt er zu den bekanntesten Komikern und größten Verwandlungskünstlern. Besonders "geschmeidig und kommod“ sei es in der Haut von Franz Beckenbauer. "Hast Du erst mal seine leicht flirrende Art zu fassen bekommen, oft bedeutungsvoll zu antworten, ohne eine wirklich griffige oder inhaltsvolle Aussage zu treffen, scheint in Dir automatisch die Sonne! Ein wundersamer Prozess“, sagt Dittrich. "Du wirst entspannt und souverän und bemerkst, dass Du einerseits Unerreichbarkeit ausstrahlst und andererseits Sicherheit verbreitest. Das ist eine Art besonderer Lifestyle im Geiste, der Kaiser-Code sozusagen.“