Der Hamburger Kommunist und Abgeordnete Ernst Henning wurde am 15. März 1931 eines der ersten Opfer des NS-Terrors. Das Porträt eines Vergessenen.
Hamburg. Er war Kommunist, und vielleicht ist das der Grund dafür, dass Hamburg sich mit dem Gedenken an ihn schwertut. Eine Straße haben sie in Bergedorf nach Ernst Henning benannt, eine Tafel aufgestellt. Eine Gedenkveranstaltung gibt es zum 80. Todestag am 15. März nicht.
"Es ist eben schon ganz schön lange her", sagt Martina Scheffler. Ernst Henning war ihr Großonkel. Und der Lieblingsbruder ihrer Großmutter. "Wenn sie von ihm erzählte, wurde sie immer sehr traurig, hatte Tränen in den Augen", sagt Martina Scheffler.
Ernst Henning wurde vor 80 Jahren von Nationalsozialisten ermordet. Am 15. März 1931. Hitlers Nazis waren da noch nicht an der Macht, aber sie zeigten, wie sie künftig mit Andersdenkenden umgehen würden.
Martina Scheffler, Journalistin in Flensburg, hat ein Buch über Ernst Henning geschrieben: "Mord über Deutschland". "Der Mord wird in der Literatur häufig erwähnt, aber nur mit wenigen Zeilen. Ich wollte mehr wissen", sagt die 30-Jährige.
Ernst Henning wurde 1892 in Magdeburg geboren, seine Familie zog nach Bergedorf, der Vater baute eine Eisengießerei auf. Ernst Henning machte Abitur, wurde Metallarbeiter und trat mit 25 Jahren in die neu gegründete Kommunistische Partei Deutschlands ein. Er war Betriebsratsvorsitzender in der Motorenfabrik Jastram in Bergedorf. Im Oktober 1923 führte er die Bergedorfer Kommunisten während des Aufstands bei den Barrikadenkämpfen von Schiffbek. Henning und seine Genossen wollten in Polizeirevieren Waffen erbeuten, sie scheiterten. Henning musste ein Jahr ins Gefängnis. Danach wurde er Vorsitzender der KPD Bergedorf, 1928 kam er in die Bürgerschaft.
Ernst Henning setzte sich für die Leute im Hamburger Landgebiet ein, forderte die Befreiung sozial schwacher Bauern und Pächter von hohen Steuern. Als 1930 nach einem Deichbruch Nettelnburg überschwemmt wurde, organisierte er schnelle Hilfe vor Ort.
War er ein Demokrat? "Er hatte zwei Seiten", sagt seine Großnichte Martina Scheffler. "Einerseits war er radikal, wollte auf den Barrikaden sterben. Aber er hat sich auch als Anwalt der kleinen Leute gesehen." Ob er ein Demokrat gewesen sei, ließe sich nach heutigen Maßstäben nicht feststellen. "Vielleicht kann man sagen, dass er einen Wandel durchgemacht hat und sich am Schluss der Demokratie angenähert hat", sagt Scheffler.
Er wollte mit den Bürgern reden - das wurde ihm zum Verhängnis. Mit einem Flugblatt lud er für den 14. März 1931, um 20 Uhr zu einer Diskussionsrunde ins Lokal Albers in Zollenspieker an der Elbe. "Nazis, Sozis und die übrigen bürgerl. Lakeien der Republik plündern die Werktätigen in Stadt und Land aus!" stand auf seinem Flugblatt.
Um 23 Uhr endete die Versammlung, kurz nach Mitternacht stieg Henning in den Nachtbus nach Hamburg. In Fünfhausen stiegen noch weitere Fahrgäste zu, Männer, die zur Kampforganisation der NSDAP, der SA, gehörten.
Die Männer forderten den Busfahrer zum Halten auf. Henning sollte aussteigen. Sie sagten ihm, dass sie nach ihm gesucht hätten. An der Tür drehte Henning sich um und duckte sich unter einen Sitz, die SA-Männer eröffneten das Feuer. Ernst Henning hatte keine Chance. Er hinterließ seine Frau Marie, seine Töchter Emmy und Mariechen und seinen Sohn Otto.
Drei Männer gestanden die Tat: Albert Jansen, Otto Bammel, und Hans Höckmair, sie hatten, arbeitslos, in der SA ein Zuhause gefunden.
Adolf Hitler verurteilte die Tat damals zwar, er nahm die Täter aber auch in Schutz. Auf eigene Kosten stellte er den Mördern seinen Anwalt zur Seite.
Am 21. März wurde Henning im Krematorium Ohlsdorf eingeäschert. 35 000 Menschen nahmen am Trauerzug teil. KPD-Chef Ernst Thälmann hielt die Trauerrede, nannte Henning einen "unserer Besten und Treuesten", er sei "ein treuer Soldat der Revolution". 13 Jahre später wurde Thälmann auf Hitlers direkten Befehl erschossen.
Im Bürgerschaftswahlkampf plakatiert die KPD: "Denkt an Ernst Henning! Wählt Kommunisten." Bei der Wahl wurde Marie Henning, die Ehefrau des Ermordeten, in die Bürgerschaft gewählt.
Am 3. November 1931 startete der Prozess gegen die Mörder vor dem Hamburger Schwurgericht. Die Täter wurden zu Zuchthaus zwischen sechs und sieben Jahren verurteilt.
Bald nach der Machtergreifung der Nazis wurden die Strafen aufgehoben. Die Mörder bekamen im Dritten Reich gute Jobs - ihr Einsatz hatte sich gelohnt. Erst nach dem Krieg mussten sie ihre Reststrafen absitzen.
Das Mordopfer, Ernst Henning, geriet in Vergessenheit. Vor vier Jahren hat Martina Scheffler in der Schule an der Ernst-Henning-Straße mit Schülern über ihn gesprochen. Die Schule heißt Ganztagsschule Ernst-Henning-Straße. Scheffler sagt, damals hätten sich viele an der Schule dafür starkgemacht, dass die Schule doch umbenannt werden solle. In "Ernst-Henning-Schule". Passiert sei nichts.