Interpol haben sich musikalisch verändert, wie man auch im ausverkauften Docks hören konnte. Mehr Klasse haben sie dadurch nicht bekommen
Hamburg. "Das ist ja schlimmer als bei DSDS, wenn man darauf wartet, wer rausfliegt." Der Stoßseufzer eines Interpol-Fans am Donnerstag gegen 21.20 Uhr. Vor einer halben Stunde ist mit Matthew Dear das beste optische und akustische Dave-Gahan-Double seit Gründung von Depeche Mode von der Bühne des ausverkauften Docks gegangen. Stagehands sind über die Bühne gewuselt, haben Instrumente weggetragen und Mikrofone eingestellt. Eigentlich wäre alles bereit für Interpol. Aber das für die Tournee zum Quintett angewachsene Trio lässt sich noch ein wenig mehr Zeit. Weitere zehn Minuten wird es dauern, bis es vor das wartende Publikum tritt.
Vielleicht spielt auch bei den altgedienten Musikern Lampenfieber eine Rolle, stehen sie an diesem Abend doch zum ersten Mal mit neuem Tour-Bassisten auf der Bühne. Brad Truax' Vorgänger hat man aber nicht in Dieter-Bohlen-Manier abserviert. Dave Pajo hat sich in bester Freundschaft und mit dem dringenden Verlangen nach seiner Familie von Interpol verabschiedet. Dass die Verzögerung am neu besetzten Viersaiter liegt, ist trotzdem eher unwahrscheinlich. Es wird eher die Konsequenz aus dem aktuellen Album "Interpol" sein, die etwas mehr Mut als sonst erfordert: Denn die New Yorker klingen anders als früher.
Irgendwie freundlicher, glatter, weniger hart. Das Brütende, Dräuende, die Komplexität hat sich ein Stück weit verabschiedet aus "Say Hello To The Angels", aus "Evil" und "C'mere". Sie klingen jetzt eher wie die neuen Titel, wie "Success", wie "Barricade" und "Lights". Songs, die nicht mehr so viel Zeit benötigen, bis sie sich erschließen. Songs, die zugänglicher, milder daherkommen. Das macht die Musik von Interpol einfacher, hinterlässt aber auch einen faden Beigeschmack. Weite Strecken des Konzerts verbleiben im getragenen Midtempo-Bereich. Das Publikum wird eingelullt von den sphärischen Rhythmen, von der ungewohnt melodischen Stimme von Paul Banks. Nur selten blitzt der ungestüme Perfektionismus noch auf, mit dem die Band sich einen Namen machte.
Im letzten Drittel markiert ausgerechnet ein neuer Song die "alten" Interpol: "Memory Serves" atmet wieder diesen genialischen Hauch zwischen Zorn und Trauer. Die treibende Gitarre, dazu das auf einmal wieder zwischen Weltmüdigkeit und Sendungsbewusstsein pendelnde Organ von Banks, die markierten Kontrapunkte durch Bass und Schlagzeug: Das ist Interpol.
Das Versprechen dieses Titels lösen auch die letzten beiden Lieder ein: Mit "Slow Hands" und "Not Even Jail" verabschiedet sich die bekannte und doch neue Band nach 90 Minuten. Ein starker Abschluss für ein Konzert, das man sich eckiger, weniger schön gewünscht hätte. Vom Casting-Show-Niveau ist Interpol zwar - glücklicherweise - meilenweit entfernt. Dem Massengeschmack aber ist die Band leider ein Stück näher gekommen.