Regisseur Hans W. Geißendörfer kann nicht nur Fernsehen: “In der Welt habt ihr Angst“ ist sechs Jahre nach “Schneeland“ sein zweiter Film.
Der Anfang ist ein Versprechen, in den Schwarzweiß-Bildern offenbart sich die Verzweiflung seiner Hauptfigur, einer jungen Frau, die sich mit ihrem Freund einen Schuss setzt und die die Schränke in der Wohnung des Vaters durchsucht. Erst später erfahren wir, wir es um Eva bestellt ist: durch ihren Freund Jo ist sie heroinabhängig geworden, jetzt, wo sie schwanger ist, versuchen sie es mit einem kalten Entzug und träumen von einem Neuanfang in Neuseeland. Das dafür benötigte Geld wird sie von ihrem Vater, einem Kantor, nicht bekommen, so rauben sie einen Eva bekannten Antiquar aus, den sie erschlägt, als er dieWaffe auf Jo richtet. So nimmt das Unheil seinen Lauf.
Sechs Jahre nach "Schneeland“ zeigt Hans W. Geißendörfer, dass er nicht nur der Erfinder der "Lindenstraße“ ist, die seit mittlerweile 25 Jahren allsonntäglich im Fernsehen läuft. Die Verkettung von Lebenslinien und tragischen Ereignissen allerdings prägt auch diesen Kinofilm, dessen Titel einer Bach-Kantate entstammt: "In der Welt habt ihr Angst. Aber seid getrost, ich habe die Welt erlöst.“ Aber kann es für das Paar eine Erlösung geben, angesichts des Verbrechens, das sie am Anfang begingen? Nicht die Drogenabhängigkeit steht hier im Mittelpunkt, sondern die Liebe: die Liebe des Paares, die auch die räumliche Distanz überwindet – während Jo im Gefängnis ein Lied zur Gitarre anstimmt, führt sie es fort am Klavier in der Wohnung des Lehrers Krämer, in der sie sich auf ihrer Flucht vor der Polizei eingenistet hat. Krämer ist gerade von seiner Frau verlassen worden, das ist die zweite Liebesgeschichte des Films, eine weitere ist die zwischen Eva du dem ihr entfremdeten Vater, die letzte die obsessive von Evas Ex-Freund Tom (der die Wände seiner Unterkunft mit zahlreichen Fotos von ihr gepflastert hat). Das verleiht dem Film seine Struktur, lässt ihn aber auch hemmungslos überfrachtet erscheinen und überdeckt immer wieder die eindringlichen Szenen der Verzweiflung und der daraus bei Eva erwachsenden Energie. Wo die Enge der Kleinstadt (gedreht wurde in Bamberg) in jeder Szene spürbar wird, nicht nur in den engen Gassen der Altstadt, auch in der großzügigen Altbauwohnung des Lehrers Krämer, da fallen manche Dialoge unbeholfen-plakativ aus. Erst mit seinem knappen Ende kehrt der Film zu seinem anfänglichen Versprechen zurück und verstärkt damit den zwiespältigen Gesamteindruck.
In der Welt habt ihr Angst Deutschland 2010, 109 Minuten, ab 12 Jahren, R: Hans W. Geißendörfer, D: Anna Maria Mühe, Max von Thun, Axel Prahl, Hanns Zischler, Kirsten Block, Johannes Allmayer; täglich im Passage; www.inderwelthabtihrangst.de
Bewertung: annehmbar