Erfüllt die ARD-Reportage des Reporters Christoph Lütgert den Straftatbestand der Nötigung? Das lässt Carsten Maschmeyer untersuchen.
Hamburg. Journalisten, die sauber arbeiten, müssen sich meist nicht in Strafprozessen verantworten. Das Presserecht ist Teil des Zivilrechts. Im Gegensatz zum Strafrecht sieht es keine Freiheitsstrafen vor.
Gegen den NDR-Reporter Christoph Lütgert könnte nun aber der Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer Strafanzeige erstatten. Noch ist nicht entschieden, ob es wirklich so weit kommt. Aber der Gründer des umstrittenen Finanzdienstleisters AWD hat bereits den Hamburger Strafrechtler Gerhard Strate beauftragt. Es geht um Lütgerts Reportage "Der Drückerkönig und die Politik", die vor zwei Wochen in der ARD lief.
In einem vierseitigen Brief an NDR-Intendant Lutz Marmor schreibt Strate, Maschmeyer habe ihn um ein "Gutachten" gebeten. Möglicherweise erfülle die Reportage den Straftatbestand der Nötigung, der politischen Verdächtigung und der Verbreitung von Bildern, ohne die Zustimmung der darauf Abgebildeten. Vor allem aber fragt er, warum Lütgert, der 2010 als Redakteur pensioniert wurde, überhaupt für den NDR arbeitet, ob er für seine Tätigkeit laufende Bezüge erhält, ob der NDR beabsichtige, von ihm Reise- und Prozesskosten zurückzufordern und wer für seine Prozesskosten aufkomme. Das fand mancher im Sender irritierend.
Zu Irritationen führte auch, dass andere Autoren der Reportage Anrufe der Auskunftei D&B Germany erhielten. Sie wollte im Auftrag eines nicht genannten Kunden wissen, in welchem Beschäftigungsverhältnis die Journalisten zu dem Sender stünden. Die Autoren bekamen eine 13 Punkte umfassende Unterlassungserklärung ins Haus geschickt, in der es unter anderem um Maschmeyers angebliche Miniplis und das Verhältnis des AWD-Gründers zum ehemaligen Bundesarbeitsminister Walter Riester ging. Beim NDR meldete sich ein Mann, der den Sender aufforderte, eine Szene zu entfernen, die ihn bei einer Gala neben Maschmeyer zeigt. Sein Versuch, vor dem Landgericht Augsburg eine einstweilige Verfügung zu erwirken, scheiterte. Auch einem Mitarbeiter Maschmeyers war kein Erfolg beschieden. Er ist Generalbevollmächtigter des Finanzunternehmers, wird im Film aber als dessen "Assistent" tituliert. Deshalb wollte er eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Berlin erwirken, das seinem Antrag nicht nachkam.
Der Deutsche Journalistenverband ist über Maschmeyers Vorgehen empört. Er sieht "Pressefreiheit und Demokratie bedroht" und fordert den Finanzunternehmer auf, "sofort mit den presse- und strafrechtlichen Nachstellungen ... aufzuhören". Maschmeyer hat mit Klaus-Peter Schmidt-Deguelle nun einen prominenten Sprecher engagiert.
Der Politikberater und Journalist sagt, Maschmeyer wolle "niemanden einschüchtern, sondern lediglich objektiv prüfen lassen, ob ... rechtswidrige Handlungen vorliegen". Die Auskunftei habe Maschmeyer nicht beauftragt. Und er habe auch "nicht mit einer Strafanzeige gedroht". Vielmehr habe er seinen Anwalt Strate beauftragt zu prüfen, ob mit der Reportage "eventuell gegen Strafgesetze verstoßen" wurde.
Nicht jeder versteht, warum das erforderlich sein soll. Der Medienanwalt Michael Nesselhauf etwa sagt: "Wenn ich einem Mandanten zu strafrechtlichen Maßnahmen raten sollte, müsste ein ebenso offensichtlicher wie schwerwiegender Verstoß gegen einen strafrechtlichen Tatbestand vorliegen."