Die Laudatio von Axel Hacke auf die Reportage “Er wollte so gern ein Deutscher sein“ von Abendblatt-Redakteur Volker ter Haseborg.
Berlin. "Wir hatten zehn Geschichten zur Auswahl , wir hatten eine relativ lange Diskussion und dann konnten wir uns plötzlich einigen auf eine Geschichte, in der es um drei Menschen geht. Die einer armenischen Minderheit in Aserbaidschan angehören und die dann geflüchtet sind nach Deutschland. Das war 1999.
Die dann hier angefangen haben zu leben, ohne Asyl. Dann haben sie Asyl beantragt, das aber nicht bekommen. Aber man bekommt dann etwas, das nennt man Duldung. Diese Leute sind dann also hier in Deutschland geduldet worden, mussten sich einmal im Monat bei der Behörde melden. Bis der Mann dieser Familie, 58 Jahre alt, Slawik C., eines Tages nicht mehr nach Hause gehen konnte. Er musste in den ersten Stock der Behörde gehen, wurde dort verhaftet und kam in Abschiebehaft. In dieser Abschiebehaft hat er sich nach einigen Tagen umgebracht.
+++ Prämierte Lokalreportage: Er wollte so gern ein Deutscher sein +++
Einer von drei Fällen, die anscheinend in Norddeutschland im Laufe dieses Jahres passiert sind. Und diesem einen Fall ist der Autor nachgegangen. Er hat sich gefragt, warum dieser Mann sich umgebracht hat, warum so etwas passieren kann. Er hat alle Beteiligten dazu gefragt und man liest diese Geschichte und man liest von einer großen Ratlosigkeit. Es gibt keinen Abschiedsbrief, es gibt nichts von ihm, was geblieben ist, er hat sich mit dem Elektrokabel des Wasserkochers in seiner Zelle erhängt.
Der Autor schildert ganz eindrücklich die Ratlosigkeit, auch die der Politiker, die sagen, so etwas darf nicht sein. Dieser Mann war vorbildlich integriert, er sprach Deutsch, er durfte nicht arbeiten, weil Leute, die nur geduldet werden, nicht arbeiten dürfen. Sein Sohn aber machte eine Ausbildung, die ganze Familie lebte in einer Doppelhaushälfte, in einem Vorort, sie hatte im Garten die Deutschland-Flagge gehisst und trotzdem sollte er abgeschoben werden.
Es ist eine Geschichte, die ein Schicksal sehr eindrücklich auf dieser lokalen Ebene schildert. Eine Geschichte von Ratlosigkeit, von großer Eindrücklichkeit - und deshalb haben wir sie prämiert. Erschienen ist sie im Hamburger Abendblatt, am 21.7. dieses Jahres. Und ich bitte jetzt Volker ter Haseborg nach vorne, damit ich ihm seinen Preis geben kann." (Applaus.)
"Ich gratuliere herzlich, das ist Ihr Preis. Was machen Sie eigentlich beim Hamburger Abendblatt?"
"Ich bin ein Reporter, und das Schöne ist, ich bin ein ressortunabhängiger Reporter. Das heißt, ich bin nur der Chefredaktion zugeordnet und kann mir meine Themen selber suchen und arbeite auch zu 90 Prozent aus eigenen Ideen."
"Das ist großartig, das ist nicht die Regel. Was mich noch interessieren würde, weil ich die Geschichte vorhin gelesen habe, weil sie mir wirklich nahegegangen ist und weil Sie das so schön beschreiben alles: Am Schluss heißt es, von der Familie ist ja die Frau geblieben, es gibt die Vermutung, dass sich der Mann umgebracht hat, damit seine Frau in Deutschland bleiben kann. Hat sich da irgendwas noch herausgestellt und was ist aus der Familie geworden?"
"Soweit ich weiß, haben sich die Behörden wirklich darum gekümmert, dass die Frau in Deutschland bleiben kann, und der Sohn hat sowieso einen Aufenthaltsstatus und deshalb ist die Familie nach wie vor in Deutschland."
"Vielen Dank, das war der erste Preis, es folgen noch sieben andere."