Bei “GedankenGut“ wurde im Schauspielhaus über Hamburgs Kulturpolitik debattiert. Ein Fazit: Kultur dürfe nicht allein zum Kostenfaktor werden.
Hamburg. Die Folgen eines drohenden Kulturkahlschlags in Hamburg werden offenbar überall gleich bewertet. In seltener Einigkeit bescheinigte die Kritiker-Runde beim Gesprächsforum "GedankenGut" im Schauspielhaus der Hansestadt "Kulturlosigkeit" und forderte in der von Autor Stefan Keim moderierten Debatte generell mehr Sachkompetenz von Kulturpolitikern.
Till Briegleb ("Süddeutsche Zeitung") sprach von einer "Singapurisierung" der Stadt, die sich mit Highlight-Projekten und Musicals begnüge und das Schauspielhaus durch Einsparung massiv gefährde. Er warnte davor, die Existenz einer unverzichtbaren bürgerlichen Institution an deren künstlerischen Erfolg zu knüpfen. Als "Selbstmord auf Raten" bezeichnete Hans-Juergen Fink (Hamburger Abendblatt) die Strategie der Theatermacher, den Sparquoten gerecht werden zu wollen. "Mit der Schere im Kopf blockieren sie ihre Kunst. So geht sie kaputt." Kultur dürfe für die Stadt nicht allein zu einer Frage des Kostenfaktors werden. Es gehe um Bildung, Erziehung, Tradition und die vielfach von den Politikern beschworenen Werte, die sie aber selbst vernachlässigten. Die Zwänge von Parteienproporz wohl verkennend schlug Peter Michalzik ("Frankfurter Rundschau") vor, Kulturschaffende sollten einen Kriterienkatalog für die sie vertretenden Politiker erstellen.
+++HIER GEHT'S ZUM DOSSIER ÜBER DIE HAMBURGER KULTURPROTESTE+++
Die Kritik an Kultursenator Reinhard Stuth relativierte Wolfgang Höbel ("Der Spiegel") und kritisierte die grünen Koalitionspartner in der Regierung scharf. "Die Stadt muss sich für ein kulturelles Konzept entscheiden und auch dafür bezahlen." Dirk Pilz ("Berliner Zeitung") brachte zum Vergleich die Hauptstadt und ostdeutsche Theater ins Gespräch und äußerte sich verständnislos über die Ignoranz und hausgemachte Kulturkrise in der reichen Hansestadt. Jetzt gelte es vor allem, eine Billiglösung für die Intendanz zu verhindern. Wie Wolfgang Höbel sagte: "Kulturpolitik ist Personalpolitik." Wohl in jeder Beziehung.
Die Debatte über Kulturwerte und die Zukunft des Schauspielhauses sollen weitere Veranstaltungen am Kochen halten und dann hoffentlich weniger allgemein vorantreiben: Im Kultwerk West stellen sich Interimsintendant Jack Kurfess und Klaus Schumacher (Junges Schauspielhaus) der Frage "Quo vadis, Schauspielhaus?" (25.11., 20 Uhr). Das Kulturforum lädt die kulturpolitischen Sprecher der Bürgerschaftsfraktionen in den Kampnagel-Klub zur einer "Schalthoff"-Runde (14.12., 19 Uhr). Und zur zweiten Ausgabe von "GedankenGut" im Schauspielhaus (19.12., 11 Uhr) wird Intendant Oliver Reese mit dem Solidaritätsgastspiel von Michael Thalheimers Sophokles-Inszenierung "Ödipus/Antigone" (18.12., 20 Uhr) erwartet.