Ein ergreifender Comic über die Liebe zwischen dem fünften Beatle und seiner Fotografin im Hamburg der Kaiserkeller-Ära vor 50 Jahren.
Hamburg. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man auf die Idee kommen, Arne Bellstorf wäre dabei gewesen. Damals, 1960 auf der Reeperbahn. Als die Beatles noch über einem Kino wohnten, jeden Abend im Kaiserkeller auftraten und statt Pilzköpfen Rock-'n'-Roller-Tollen trugen. Doch der Künstler Bellstorf ist nicht dabei gewesen, er ist erst 31 Jahre alt. Und trotzdem erwecken die Bilder in seinem Comicband "Baby's in Black - The Story of Astrid Kirchherr & Stuart Sutcliffe" den Kiez der Vergangenheit zum Leben. Und seine Geschichte über Liebe, Kunst und Musik zieht einen in ihren Bann.
Wobei Bellstorf nicht die oft gehörte Story erzählt, wie aus einer allenfalls zweitklassigen Coverband ein popkulturelles Phänomen wurde. Er widmet sich einer Liebesgeschichte. Der zwischen Stuart Sutcliffe, dem Bassisten der Beatles zu dieser Zeit,und der jungen Fotografin Astrid Kirchherr, die wohl für immer darauf reduziert werden wird, den Beatles ihre Pilzkopffrisuren verpasst zu haben.
Statt sich mit langwierigem Vorgeplänkel aufzuhalten, wirft Bellstorf den Leser direkt in die Geschichte: Der Grafiker Klaus Voormann stromert über den Kiez und platzt zufällig in ein Konzert der Beatles . Er ist so begeistert, dass er Astrid Kirchherr mitten in der Nacht aus dem Bett klingelt, um ihr von der Band zu erzählen, die er im Kaiserkeller, einer äußerst zwielichtigen Spelunke, entdeckt hat. Er überredet sie, ihn zu begleiten. Und die junge Fotografin ist sofort fasziniert von Stuart, dem sonnenbebrillten Bassisten, der so gar nicht in ihre gutbürgerliche, frankophile Welt passt.
So beginnt Bellstorfs Geschichte. Die Figuren reden nicht viel, aber das, was sie sagen, ist wichtig. John, Paul, George, Pete und Stuart sprechen Englisch, die Hamburger Deutsch. Das allmähliche Überwinden der Sprachbarriere zwischen Hanseaten und Musikern ist mehr als bloßes Beiwerk, es trägt bei zum Gefühl der Unmittelbarkeit.
Der eigentliche Star des Buches aber sind die Bilder. Sie tragen die Geschichte. Einfühlsam, reduziert und doch mit dem Blick für das Detail zeichnet Bellstorf das Hamburg der frühen 60er-Jahre nach, schildert die sich anbahnende Liebesgeschichte zwischen der Fotografin und dem Musiker, der viel lieber ein Maler wäre, nach, ohne in die Beatles-Falle zu tappen.
Der Streit zwischen dem Veranstalter Bruno Koschmider und der Band, die Ausweisung aus Hamburg wegen Formalien, alles Anekdoten und Geschichten, die er nur so weit erwähnt, wie sie für das Paar wichtig sind: die Faszination Kirchherrs für die wilden Jungs aus Liverpool, ihre Unterstützung für Sutcliffes zweite große Liebe, die Kunst. Was nicht wichtig ist für Kirchherr und Sutcliffe, ist auch nicht wichtig für ihn.
Stefanie Hempel, Sängerin und seit über sechs Jahren auf St. Pauli mit ihrer Beatles-Tour unterwegs, ist beeindruckt: "Das Buch hat mich total umgehauen, ich habe es in einem Rutsch durchgelesen." Obwohl sie zuerst skeptisch war. Denn sie kennt Astrid Kirchherr persönlich, weiß um das Loch, das Sutcliffes Tod in ihr Leben gerissen hat und das sich auch fast 50 Jahre später nicht schließen lässt. Zu abrupt war das Ende des gemeinsamen Daseins. Am 10. April 1962 erlitt Sutcliffe überraschend eine Hirnblutung. Im Krankenwagen saß sie an seiner Seite. Sie war bei ihm, als er starb.
Die Befürchtung, dass Bellstorf nur auf sensationsheischende Geschichten rund um die Beatles aus sein könnte, lag also nahe. Die Zutaten für ein kitschiges Machwerk waren schließlich da: Junge Liebe, Rock'n'Roll und ein jähes Ende.
Umso erfreuter ist die Beatles-Expertin über den gefühlvollen Umgang Bellstorfs mit Leben, Liebe und Tod: "Er hat die bescheidene, ruhige Art Kirchherrs eingefangen, eine ergreifende Liebesgeschichte mit tiefer Menschlichkeit und sanftem Humor erzählt." Ergreifend ist die Geschichte wirklich. "Ihm ist ein respektvoller Umgang mit dem Thema gelungen, der allen Beteiligten die Würde lässt", sagt Hempel. Und am Ende, als Sutcliffe stirbt, fühlt man sich auch als Leser ein wenig verlassen. Fast, als wäre man damals ein bisschen dabei gewesen.
Was geblieben ist, ist der Kaiserkeller. Nachdem im August bereits das Indra sein 50. Jubiläum des ersten Beatles-Auftritts begangen hat, ist jetzt folgerichtig der Kaiserkeller dran: vier Abende mit Beatles-Tributebands und Kaiserkeller-Urgesteinen. Zum Auftakt spielen am 31.10. The Bats und The Cavern Boots, es folgen am 7.11. The Bonds und Ticket To Ride, am 14.11. The Beattells und Olaf Schulte und am 21.11. Tony Sheridan und The ReBeatles. Das Kombiticket kostet 40 Euro.
50 Jahre Beatles im Kaiserkeller - The Bats, The Cavern Boots So 31.10., 19.00, Kaiserkeller (S Reeperbahn), Große Freiheit 36, Karten zu 13,20 im Vorverkauf; www.grossefreiheit36.de