Am Sonnabend startet auf Arte die bitterböse US-Serie “Breaking Bad“ , in der ein unbescholtener Lehrer groß ins Drogengeschäft einsteigt
Auf der Liste von Berufen, aus denen hinreißende TV-Serienhelden geschnitzt sein könnten, war der ganz normale Chemielehrer bislang nur ein prima Anwärter für trostlose Trostplätze. Walter White aus Albuquerque, New Mexico, war jahrelang ein ganz normaler Chemielehrer. Mittelalt, mittelhübsch, mittelschwer, mittelschlau, frustriertes, schnauzbärtiges Mittelmaß, alles in allem. White versucht unverdrossen desinteressierten Highschool-Teenagern im Wachkoma etwas beizubringen, seine Ehe mit einer meist maulenden Hausfrau plätschert vor sich hin und um mehr schlecht als recht über die Runden zu kommen, muss er nach Schulschluss auch noch in einer Autowaschanlage jobben. Das Leben kann so grausam sein.
Das Schlimmste an Whites deprimierendem Pädagogendasein - für einen Jedermann wie ihn kann es im unteren Mittelstand der USA immer noch schlimmer kommen. Kommt es dann auch, denn einen Tag nach seinem 50. Geburtstag wird White von seinem Arzt eröffnet, dass er Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium hat. Dagegen hat er keine Krankenversicherung. Aber er hat ein Haus, dessen Raten abzuzahlen sind. Und eine Frau, die schwanger ist. Und einen behinderten Sohn. Und keine Freunde, denen er sich anvertrauen kann. Und keine Ahnung, wie er mit all dem klarkommen soll.
Und dann hat Walter White eine folgenschwere Idee: Mit Hilfe eines reichlich dumpfbackigen Exschülers, den ihm das Schicksal in den Weg wirft, schult er sich selbst drastisch um. Zum Drogenkoch, der dank seiner Chemiekenntnisse feinstes Methamphetamin - besser bekannt als Crystal Meth - auf den örtlichen Markt bringen und damit so richtig dick abkassieren kann.
Aus dem tragischen Weichei Walter wird ein ganzer Kerl. Schon zum Warmwerden mit dem neuen Betätigungsfeld müssen einige widerborstige Dealer dran glauben; dass Whites Schwager bei der Drogenfahndung ist und auch seine Gattin verwundert registriert, wie sehr sich der Vorstadt-Loser Walter von einem Tag zum anderen verändert, macht die Sache auch nicht einfacher. Denn natürlich weiß Walter, dass alles, was er tut, moralisch schwer verwerflich ist.
Mit "Breaking Bad", einer Gratwanderung zwischen Sozialdrama und Tarantino-Action, hat Arte sich einen echten Leckerbissen ins Wochenend-Abendprogramm gesetzt. Denn die bitterböse Serie, die der kleine US-Kabel-Sender AMC im Januar 2008 startete, wurde rasend schnell zum großen Hit. Erst in den USA, anschließend machte die Begeisterung darüber per DVD und Internet die Runde durchs globale Serienjunkie-Dorf, wo man immer auf der Suche nach dem nächsten Kick, nach dem nächsten liebenswerten Paralleluniversum ist, in das man stundenlang einziehen kann.
Der Humor ist viel schwärzer als in der harmlosen Themen-Variation "Weeds"; die Dilemmas sind so existenziell, wie man sie aus Meisterwerken wie "The Sopranos" , "The Wire" oder "Six Feet Under" kennt. AMC ist übrigens jener Sender, der mit dem ähnlich exquisiten 60er-Jahre-Werber-Drama "Mad Men" einen der größten Serien-Hypes der letzten Jahre auslöste.
Natürlich ist auch der Name dieser Serie Programm, denn "Breaking Bad" bedeutet so viel wie "auf die schiefe Bahn geraten". Die ist hier allerdings so schief, dass man eher von einer rasanten Schussfahrt ins Reich des Bösen sprechen kann: Die ersten Minuten der ersten Folge zeigen White in einem klapprigen Wohnmobil, panisch, in Unterhose, mit Gasmaske vor dem Gesicht, während hinter ihm zwei leblose Körper in Dampfschwaden signalisieren, dass einiges so gar nicht in Ordnung ist.
Seit der Premiere hat "Breaking Bad" bereits acht Emmys erhalten, drei der TV-Oscars gingen in Folge an den Hauptdarsteller Bryan Cranston, der zuvor vor allem als Familienvater aus der Comedy-Serie "Malcolm mittendrin" bekannt war. Hier kann er zu großem tragischen Format aufblühen, zu einer Gestalt wie aus einem Ibsen-Drama, die von Katastrophe zu Katastrophe taumelt und stolpert. Der gar nicht mehr harmlose Pädagoge ist ein faustischer Charakter, eine Kombination aus Dr. Jekyll und Mr. Hyde.
"Walter ist ein Mann, der die ganze Last seines Lebens mit sich herumträgt. Er hat sich seine Träume ein Leben lang nicht erfüllt, weil er nie in seinem Leben ein Risiko eingegangen ist. Es geht um einen Mann, der eigentlich ein gutes Herz hat, aber immer das Falsche tut", erklärte Cranston seine Sympathie für White. Eine hochexplosive Mischung.
Die ersten zwei Staffeln von "Breaking Bad" laufen ab dem 9. Oktober sonnabends um 22.00 Uhr in Doppelfolgen auf Arte.