Kultur erfahren: Das Jüdische Museum Rendsburg erinnert an den Unternehmer und Mäzen Oscar Troplowitz
Rendsburg. Als Oscar Troplowitz 1909 in Paris im großen Stil Kunst kaufen wollte, ließ er sich von dem jungen Hamburger Maler Friedrich Ahlers-Hestermann beraten. Auf dessen Empfehlung hin kaufte Troplowitz unter anderen das 1902 entstandene Gemälde "Einschlafende Trinkerin" von Picasso, das bald in seiner Hamburger Villa in der Agnesstraße hing - neben rund 90 anderen Kunstwerken zum Beispiel von Corot, Renoir, Liebermann und Slevogt. Die finanziellen Mittel, die der Aufbau einer solchen Kunstsammlung erforderte, hatte Troplowitz mit einer fast beispiellosen unternehmerischen Karriere verdient: 1890 übernahm er von Paul C. Beiersdorf ein Labor mit elf Mitarbeitern und machte daraus innerhalb von wenigen Jahren ein international agierendes Unternehmen mit 500 Angestellten, das Produkte herstellte, die weltberühmte Marken wurden. Beispiele sind Leukoplast, Labello und vor allem Nivea.
Mit einer kleinen, aber ansprechend präsentierten und sehr informativen Ausstellung erinnert das Jüdische Museum Rendsburg derzeit an Oscar Troplowitz als sozialen Unternehmer und Kunstmäzen. Zu sehen sind Dokumente, historische Fotografien und Produkte aus der Geschichte der Firma Beiersdorf sowie einige originale Kunstwerke, die allerdings eher symbolisch auf die ursprünglich so bedeutende Sammlung des Hamburger Unternehmers und Mäzens verweisen.
Oscar Troplowitz wurde 1863 als Kind einer wohlhabenden jüdischen Familie im oberschlesischen Gleiwitz geboren. Er besuchte in Breslau das Gymnasium und hatte eigentlich vor, Architektur zu studieren. Auf Wunsch des Vaters brach er die Schulausbildung nach der Realschulreife ab und wurde Apothekengehilfe. Anschließend studierte er Pharmazie, holte das Abitur nach und promovierte als Dr. phil. in Heidelberg. In Hamburg, wo er seit 1890 lebte, begegnete Troplowitz dem Unternehmer Paul Carl Beiersdorf, der ein Laboratorium für dermotherapeutische Präparate besaß und mit den damals führenden deutschen Dermatologen zusammenarbeitete. Troplowitz erkannte schnell die Marktchancen der kleinen Firma, lieh sich Geld und kaufte Beiersdorf das in Altona ansässige Unternehmen ab.
Jetzt begann eine enorme Erfolgsgeschichte: Troplowitz verbreiterte die Produktpalette, die er mit völlig neuen Werbe- und Marketingstrategien bekannt machte. Das Unternehmen expandierte, eröffnete Niederlassungen im Ausland, und schon um die Jahrhundertwende war die Marke "Nivea", deren Name sich von dem lateinischen Adjektiv niveus, schneeweiß, ableitet, in vielen Ländern ein eingeführter Begriff.
Der Unternehmer ließ seine Beschäftigten am wirtschaftlichen Erfolg teilhaben: So reduzierte er schrittweise die wöchentliche Arbeitszeit von 60 auf 48 Stunden bei vollem Lohnausgleich, führte einen Rentenfonds und eine Unterstützungskasse für Einkommensausfälle ein, gewährte ein kostenloses Mittagessen und bezahlten Urlaub. Eine Art betriebliche Kindertagesstätte ermöglichte es seinen weiblichen Angestellten zudem, schon bald nach der Entbindung wieder ins Unternehmen zurückzukehren. Troplowitz wurde Mitglied der Bürgerschaft und engagierte sich für die Stadtentwicklung und die Schulpolitik, gehörte aber auch der Finanzdeputation an.
Ein besonders enges Verhältnis unterhielt Troplowitz zu dem Maler Arthur Siebelist, der zu den Gründungsmitgliedern des Hamburgischen Künstlerclubs zählte. Vor allem jüngere Hamburger Maler wie Friedrich Ahlers-Hestermann, Franz Nölken und Walter Voltmer waren oft Gäste in der hochmodernen Villa des Unternehmers, der sie durch Zuwendungen, vor allem aber durch Aufträge immer wieder förderte.
Viel Zeit blieb ihm nicht, seine Kunstsammlung aufzubauen, denn Troplowitz starb am 27. April 1918 im Alter von nur 55 Jahren an einem Hirnschlag. In seinem Testament hatte er verfügt, dass die Hamburger Kunsthalle 26 Gemälde mit Hauptwerken französischer und deutscher Künstler des 19. und 20. Jahrhunderts erhalten sollte. Darunter war auch Picassos "Einschlafende Trinkerin", das erste Picasso-Bild, das ein deutscher Privatsammler erworben hatte.
Sein früher Tod bewahrte Troplowitz davor, die Hetzkampagnen, der seine Familie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft in der Nazi-Zeit ausgesetzt war, miterleben zu müssen. Das Picasso-Gemälde wurde in der Kunsthalle als "entartet" konfisziert und zwangsverkauft, heute gehört es zu den Spitzenstücken des Kunstmuseums Basel.
In der Rendsburger Ausstellung ist ein Gemälde zu sehen, auf dem der Hamburger Expressionist Franz Nölken, der zeitweise der Künstlervereinigung "Brücke" angehörte, den Unternehmer zwei Jahre vor seinem unerwartet frühen Tod porträtiert hat: Es zeigt einen stattlichen Mann mit nachdenklich-forschendem Blick, eine eindrucksvolle Persönlichkeit, die eher an einen Intellektuellen erinnert als an einen steinreichen Industriellen. Oscar Troplowitz war beides.
Oscar Troplowitz. Sozialer Unternehmer und Kunstmäzen, Jüdisches Museum Rendsburg, Prinzessinstraße 7-8, 25262 Rendsburg, bis 3. Oktober, Di-So 12.00-17.00, Infos www.jmrd.de