Er manipuliert die Mona Lisa und brandmarkt weltweit Großstädte. Auf der Straße erkennen würde Banksy vermutlich aber niemand.

Straßenkünstler Banksy ist ein Phantom. Eine anonyme Berühmtheit. Zwar sind die Werke des Briten mittlerweile weltweit bekannt, doch seine Identität bleibt unsichtbar. Gut für ihn, denn der Sprayer, der angeblich mit bürgerlichem Namen Robin Banks heißt, sprengt für seine Kunst nicht selten die Grenzen der Legalität. Banksys charakteristische Schablonengraffiti („Pochoirs“), die vornehmlich in europäischen Großstädten zu finden sind, gehören zu den berühmtesten Beispielen Aufmerksamkeit erregender Street Art .

Gekennzeichnet sind seine Werke dabei häufig durch einen ironischen oder verzerrenden Umgang mit so genannter „hoher Kunst“ oder staatlichen Repräsentanten. So zeigt er eine Mona Lisa mit grellgelbem Smiley-Gesicht und die englische Queen mit einer Gasmaske. Er verfremdet und parodiert. Neben solchen - vergleichsweise harmlosen - Provokationen wird er aber auch explizit politisch. Seine Abbildungen von Mauerdurchbrüchen und an Ballons emporschwebenden Kindern stempelten bereits die palästinensischen Sperranlagen zum „Freiluft-Gefängnis“.

Seine künstlerischen Revolten sind technisch allerdings nicht auf Bildwerke beschränkt. Ein anderes - aber nicht weniger provokantes - Vorgehen stellte er unter Beweis, als er im kalifornischen Disneyland eine lebensgroße Gummipuppe im orangefarbenen Overall eines Insassens des amerikanischen Militärgefängnisses Guantanamo Bay neben einer Achterbahn platzierte. Unmissverständlich und medienwirksam belebte er durch diese Protestaktion damals erneut die Diskussionen um die umstrittene Anstalt.

Den satirischen Unterton hat sich Banksy, trotz der Ernsthaftigkeit seiner Themenwahl, aber stets bewahrt: „We can’t do anything to change the world until capitalism crumbles. In the meantime we should all go shopping to console ourselves.” („Wir können nichts unternehmen um die Welt zu verändern, bis der Kapitalismus zerbricht. In der Zwischenzeit sollten wir alle shoppen gehen, um uns zu trösten“), heißt es in seinem Bildband “Wall and Piece”. Ein anderes Statement lautet selbstironisch, es erfordere eine Menge Mut, in einer westlichen Demokratie anonym aufzustehen und Werte zu fordern, an die sonst keiner glaubt - so wie Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit.

„When you go to an Art gallery you are simply a tourist looking at the trophy cabinet of a few millionaires.”

Aber auch das Kulturverständnis der breiten Masse selbst wird von Banksy ironisch unterlaufen und politisiert. Um die Museumsbesucher zu irritieren und den Geniekult infrage zu stellen schmuggelte er eigene Werke im Stil großer Künstler in weltbekannte Museen. Sechs Tage lang konnte seine detailgetreue Abbildung einer Discounter Tomatensuppenkonserve im Museum of Modern Arts in New York zwischen den Werken von Künstlern wie Warhol und Picasso bestehen, bevor sie als nicht zugehörig entlarvt wurde.

Kunst auf die Straße bringen und für jeden zugänglich machen, so lautet das erklärte Ziel Banksys. Damit einher gehen eine Verdrängung von Kommerz und Werbung aus den Städten und eine Rückeroberung der urbanen Welt durch Street Art. Doch auch Banksys Guerilla-Kunst erfreut sich wachsender Popularität und hat unlängst Zugang zu Galerien und Ausstellungen gefunden. Seine Graffiti steigern mittlerweile sogar den Wert der Gebäude, die sie schmücken und der Protest im Falle einer Entfernung durch die Stadt wird von Mal zu Mal lauter. Banksys gesprayte Signatur erbringt auf Auktionen bis zu 10.000 Dollar, von ihm besprühte Mauern werden für hohe Summen auf dem Kunstmarkt gehandelt.

Vor kurzem ist der mysteriöse Pop-Künstler nun auch noch ins Filmgeschäft eingestiegen: „Exit Trough the Gift Shop“ („Ausgang durch den Souvenirladen“) - “der erste Street-Art-Katastrophenfilm der Welt“, wird die deutschen Kinos ab Oktober aufmischen. Bereits im Februar präsentierte ihn die Berlinale als Überraschungsbeitrag.

Auch hier nimmt Banksy wieder die Glorifizierung von Künstlern aufs Korn und das sogar am eigenen Beispiel: Thierry Guetta, französischer Filmemacher, versucht im Film mit allen Mitteln, die ultimative Graffiti-Dokumentation zu drehen. Dafür sammelt er hingebungsvoll jeden Videoschnipsel über Altmeister Banksy. Dieser dreht den Spieß allerdings um und überzeugt den Franzosen, sich als „Mr. Brainwash“ selbst an der hohen Kunst des Sprühens zu versuchen. Verborgen unter einer Kapuze - denn zu erkennen gibt sich der Straßenkünstler auch im eigenen Film nicht - übernimmt schließlich Banksy die Regie. Dabei heraus kommt ein ironisch-bissiges Statement über kreativen Größenwahn und hochstilisiertes Künstlertum.

Trotz seiner kommerziellen Erfolgsgeschichte bleibt Banksy aber im Untergrund. Der Kapitalismuskritiker handelt nicht mit Brad Pitt und Angelina Jolie - bekennende Fans seiner Werke. Er streunt lieber weiterhin unbeobachtet durch die Straßen und verwandelt triste Mauern in bunte Galerien.