Jean-Christoph Caron und Guy Smith untersuchen in „Der große Crash – Die Pleite der Lehman-Bank“ Vergangenheit und Zukunft des Finanzmarktes.

Mainz. Nach dem Crash der New Yorker Lehman-Bank im September 2008 stürzte der Aktienkurs ins Bodenlose. Von einem Tag auf den anderen waren an den Börsen 700 Milliarden Dollar vernichtet. Außer den großen Finanziers verloren weltweit zahlreiche Kleinanleger ihre Immobilien und Sicherheiten bis hin zur Altersvorsorge. Eine Prozesslawine und ein genereller Vertrauensverlust in das Bankensystem waren die Folgen.

Ob so etwas in Zukunft wieder passieren kann, untersuchen die Autoren Jean-Christoph Caron und Guy Smith in der 3sat-Dokumentation „Der große Crash – Die Pleite der Lehman-Bank“.

In dem aktuellen Film, der am 6. August um 21.30 Uhr zu sehen ist, beleuchten sie die Hintergründe des plötzlichen Zusammenbruchs und analysieren die neuesten Erkenntnisse über die letzten 48 Stunden der kollabierenden Investmentbank. Die Rettung der Bank hätte 20 bis 30 Milliarden US-Dollar gekostet, urteilen Experten heute, während sich die Verluste durch die Insolvenz inzwischen auf 50 bis 75 Milliarden beliefen.

Der ehemalige deutsche Finanzminister Peer Steinbrück meint in der Dokumentation lakonisch, dass rational nicht zu erklären sei, warum die Bush-Regierung Lehman Brothers Pleite gehen ließ, nachdem sie davor drei andere Banken mit neuem Geld versorgt hatte. Vermutlich habe der Wahlkampf in den USA die entscheidende Rolle gespielt, nämlich die plötzliche Erkenntnis, dass sich die Zahlung von Milliarden Steuergeldern für die Rettung einer maroden Investmentbank äußerst nachteilig auf die Gunst der Wähler auswirken würde.

Bis heute ist umstritten, ob die Rettung der Lehman Bank tatsächlich den Beginn einer weitreichenden Wirtschaftskrise verhindert und neue Stabilität gebracht hätte. Die Dokumentation offenbart, dass zwischen dem 12. und 14. September 2008 noch niemand die Folgen ahnte, als der damalige Finanzminister Henry Paulson Finanzpolitiker, Großinvestoren und Bankenbosse zu einem Krisentreffen in die US-Notenbank in Manhattan bat. Die Autoren zeigen interessante Beiträge zu den entscheidenden 48 Stunden vor dem Crash und lassen zahlreiche Experten wie den heutigen Finanzminister Timothy F. Geithner zu Wort kommen.

Während des US-Wahlkampfs habe Georg Bush die populäre Direktive ausgegeben, dass die Banken selbst für die Rettung der Geldhäuser aufkommen sollten, so die Autoren. Zudem habe das Duell zweier Platzhirsche wie Richard Fuld, dem letzten Vorsitzenden der Lehman-Bank, und Finanzminister Paulson, dem früheren Vorsitzenden der Investmentbank Goldmann Sachs, eine zentrale Rolle gespielt. Außerdem seien die zahlreichen Warnungen der Europäer missachtet worden, eine international vernetzte Großbank wie Lehman auf keinen Fall abstürzen zu lassen.

War es also das kollektive Versagen der einflussreichsten Finanzführer, das an diesem Krisenwochenende zur Besiegelung der Pleite der Lehman Bank führte? Welche Rolle spielte die Tatsache, dass die Beteiligten nicht zwischen kurzfristigen persönlichen und langfristigen ökonomischen Interessen unterschieden haben? Die weltweiten Folgen des Crashs waren unabsehbar. Allein in Europa warteten noch über 6500 größere Gläubiger auf das marode Erbe.

Die spannende Dokumentation rekonstruiert die Hintergründe der Pleite und diskutiert die neuen Erkenntnisse zu den Machenschaften bei Lehman Brothers. Die Autoren protokollieren die Ereignisse des schicksalhaften Wochenendes und enthüllen die unterschiedlichen Motivationen der Entscheidungsträger. Kleinanleger und andere Geschädigte kommen nicht zu Wort.

Dennoch wird deutlich, dass große Investmentbanken ausschließlich im eigenen Interesse handeln und Verluste ihrer Anleger vermutlich auch in Zukunft in Kauf nehmen werden. Eine aktuelle und informative Warnung, die dazu beitragen kann, auch die persönlichen Anlagestrategien oder die Alterssicherung besser zu planen.

„Der große Crash“. Die Pleite der Lehman-Bank. Dokumentation von Jean-Christoph Caron und Guy Smith. 3sat, Fr 6.8., 21.30 – 22.00 Uhr.