Hamburg. Heimspiel ist, wenn man spüren kann, dass einem kleinere Fehler jederzeit gern verziehen werden. Seit Jahrzehnten ist jedes Hamburger Konzert für Al Jarreau ein solches Heimspiel. Hier, im Onkel Pö, vollzog sich 1976 der Senkrechtstart in die Europakarriere. Hier, in der Laeiszhalle, gönnte sich der Sänger nun im Rahmen seiner Europa-Tournee mit der NDR-Bigband einen Comeback-Abend, der mit einer Euphorie gefeiert wurde, die den 67-Jährigen selbst überraschte. Eine deutlich jüngere Bewunderin hielt es nicht mehr in ihrem Sitz, sie herzte Jarreau, als ginge es um Justin Timberlake.

Die Frage "Wie gut ist Jarreau noch?" lässt sich nicht so einfach beantworten. Am ehesten vielleicht in zwei Teilen. Denn den ersten Set bestritt er mit Titeln, die etliches belegen sollten. Dass er Brasilianisches draufhat, scatten, croonen und swingen kann. Und dass er ein Entertainer ist, der nicht vor Mitklatsch-Animation zurückschreckt, wenn er wittert, dass der Kundschaft danach sein könnte.

Doch hier war, grundiert durch die hochklassigen NDR-Jazzer, auch zu hören, dass der jahrzehntelange Balanceakt der Stimme, durch alle Register, in alle Höhen und Tiefen, nicht so ganz spurlos an der Kondition vorbeigegangen ist. Timing und Ideenreichtum waren da, die spielerische Eleganz, das Wahnwitzige, mit dem Phrasen gegen die Routine anzauberten, das fehlte hin und wieder. Dieses Manko konnte auch ein so saftig ausholender Duett-Partner wie der Posaunist Nils Landgren, der zum obligatorischen "Take Five" an die Solo-Rampe vortrat, nicht komplett überspielen.

Mit dem von Steve Gray maßgeschneiderten "Porgy and Bess"-Medley sah es anders, ganz anders aus. Der Akrobat wurde zum Feinzeichner, widmete sich diesen Klassikern des American Songbook mit einer Hingabe, die an jeder Phrase hing und die Charaktere lebendig und glaubwürdig werden ließ. Eine Ein-Mann-Oper lief hier ab, in der Jarreau jeden Part mit der gleichen Klasse hinlegte - und Glawischnigs Band dafür sorgte, dass Jarreau tun konnte, was er nach wie vor kann wie kein anderer: mit Bekanntem überraschen.