Im Sommer starten gleich zwei Actionfilme mit viel zu hohem Prosecco-Anteil. Den Anfang machen Cameron Diaz und Tom Cruise.
Filmplakate verraten viel über die Ansichten von Studiobossen und Marketingabteilungen. Was (und wer) für den Film wichtig ist, muss für den Zuschauer auf einen Blick erkennbar sein. Auf dem Plakat der Actionkomödie "Knight and Day", die am kommenden Donnerstag im Kino startet und sich in Amerika schon jetzt als erfolglosester Tom-Cruise-Film aller Zeiten erwiesen hat, sitzt die blonde Cameron Diaz rittlings auf Cruise, der seinerseits ein schwarzes Motorrad-Ungetüm lenkt, und ballert hinter seinem Rücken ins Nirgendwo. Was uns das zeigt? Vielleicht die neue Arbeitsteilung made in Hollywood.
Ähnlich das Plakat von "Kiss & Kill", der zwei Wochen später auf die Leinwand drängt: Katherine Heigl im Kleinen Schwarzen zieht sich in Seelenruhe die Lippen nach, während Ashton Kutcher an ihrer Seite das Magazin seiner Kanone durchlädt und dabei so unterwürfig zu seiner Frau herüberschielt, dass klar ist, wer hier das Sagen hat. Er jedenfalls nicht.
Es ist ein trauriger Kinosommer für Actionhelden. Und für ihre Fans. Kein Bond, kein Indiana Jones, kein Rocky-Rambo. Nicht mal Comic-Supermänner mit übernatürlichen Kräften und Weltenrettergeste sind in Sicht.
Der vergangene Sommer gehörte Quentin Tarantino und seinen "Inglourious Basterds". In diesem bleiben uns Tom Cruise und Asthon Kutcher als Agenten mit Lausbubengrinsen und Föhnwelle - wogegen ja grundsätzlich nichts zu sagen wäre, würden sie nicht Dinge tun, die für Actionvorbilder wie Jason Bourne ("Bourne Identity") schier undenkbar wären: Etwa Eis in der Waffel schlecken. Kleine Post-its schreiben. Heiraten oder Vater werden. Haben wir es hier also mit emanzipierten Actionfilmen zu tun? Oder mit Zwitterwerken? Ein bisschen süße Romantik und schicke Klamotten für sie, ordentlich Rumgeballere und ein paar gepfefferte Autocrashs mit Dreifachsalto für ihn.
Schon die jeweiligen Titel machen deutlich, dass sich die Produzenten nicht für ein bestimmtes Genre entscheiden konnten (oder vielmehr: entscheiden wollten). "Kiss & Kill" - das trifft zwar den Kern der Sache, der bessere Film aber wäre vermutlich herausgekommen, hätte man sich auf einen Aspekt konzentriert. Küssen und Töten gehen nun mal einfach schwer zusammen - und wenn es noch so romantisch klingt.
Schon bei "Mr. and Mrs. Smith" funktionierte der Rosenkrieg zweier Berufskiller ja mehr an der Kinokasse als auf der Leinwand - aber das waren immerhin Brad Pitt und Angelina Jolie, die da spielten und bei den Dreharbeiten unter Klatschpressenaufsicht zu Brangelina verschmolzen. Kutcher und Heigl sind, pardon, leider nur schön anzusehende Schauspieler mit hoher Roter-Teppich-Präsenz. Fernsehgesichter.
Dass es nicht leicht ist, die Handlung der Filme wiederzugeben, mag in der Natur von Actionkomödien liegen. Bei "Knight & Day" geht es aber mitunter so hanebüchen zu, dass man sich die Augen reibt: Da rast plötzlich, der Film ist noch keine zehn Minuten alt, ein Flugzeug in ein Maisfeld; die komplette Besatzung hat Roy Miller (Tom Cruise) zuvor exekutiert. Warum all das? Man weiß es nicht so recht. Wer wen beauftragt hat, genau was zu tun, weiß man ebenfalls nicht. Es müssen jedenfalls noch eine ziemliche Menge weitere Personen dran glauben, nur einer rappelt sich immer wieder hoch: Agent Roy Miller.
Auch Superspion Spencer (Kutcher) und seine niedliche Angetraute schlagen in "Kiss & Kill" den Gangstern und ihren Maschinengewehrsalven jedes Mal ein Schnippchen. Das ist Prinzip, Genre-immanent quasi, und wem das nicht gefällt, sollte um Actionfilme lieber einen weiten Bogen machen.
Würden die Autoren es dabei belassen, die fehlende Logik und die Handlungslöcher des Drehbuchs störten nicht weiter. Dass eine "Tom und Jerry"-Folge glaubwürdiger (und komplexer) daherkommt - geschenkt. Nun durfte aber (Studiobosse? Marketingabteilungen?) das berühmte Funkeln zwischen den Protagonisten-Paaren nicht zu kurz kommen, das erotische Katz-und-Maus-Spiel. Das hat schließlich schon Hitchcocks "Über den Dächern von Nizza" zum Meilenstein der Filmgeschichte gemacht und Cary Grant auf alle Ewigkeit zum smartesten Meisterdieb aller Zeiten. Ein Thriller wie ein Urlaubsflirt. Auch mehr als 50 Jahre später noch.
"Knight and Day" hingegen wirkt, als habe man den Actionszenen nachträglich ein bisschen Prosecco-Aroma und Julia-Roberts-Zuckerguss eingeflößt. So muss Cameron Diaz als June denn auch im Brautjungfernoutfit hinaus in den Kugelhagel. Katherine Heigl macht einen Schwangerschaftstest, während vor der Toilettentür die MGs rattern, und übergibt sich nach überstandener Verfolgungsjagd kurz mal ins Blumenbeet.
Damit kein Missverständnis aufkommt: Beide Schauspielerinnen machen ihre Sache ganz bezaubernd. Sie dürfen aus vollem Hals kreischen und fiepen wie niedliche Hundewelpen. Im Bikini können sie mit den Bond-Girls locker mithalten, und die weißen Blusen sind selbst dann noch fleckenlos, wenn ringsumher das Blut in Fontänen spritzt.
Und doch: Es hilft nichts. Nicht Nizza als Kulisse, wo Asthon Kutcher der Blondine im Aufzug ein zartes "Bonjour" entgegenhaucht. Nicht die romantischen Straßenrestaurants, die Sonnenuntergänge, das kristallklare Wasser. In "Knight and Day" heißt Nizza Sevilla, aber eigentlich ist das auch egal. Beide Filme nehmen ihren Anfang am Flughafen. Abheben tun sie deshalb noch lange nicht. Vielleicht hätten sich "Knight and Day"-Regisseur James Mangold (der immerhin die Oscar-gekrönte Jonny-Cash-Biografie "Walk the Line" erschaffen hat) und sein Kollege Robert Luketic lieber an einer Lovestory im herkömmlichen Sinn versuchen sollen als daran, Belanglosigkeiten in Höchstgeschwindigkeit aneinanderzureihen.
Denn auch ihre vordergründigen Actionkomödien kreisen in Wahrheit ganz bieder um die Frage: Ist ein Leben möglich mit jemandem, der das Lügen zu seiner Lebensaufgabe gemacht hat? Kann man mit so jemandem den Traum von Reihenhäuschen, Familienhund und Garten träumen? Am Ende jedenfalls, als den Spionen und Agenten ihre schönen Lügen mehrfach um die Ohren geflogen sind, ist die Welt zwar nicht gerettet, aber zumindest die Liebe in trockenen Tüchern.
Bleibt im Grunde nur eine entscheidende Frage: Wo verbringt James Bond eigentlich seine Sommerferien?