Die Inszenierung des Regisseurs Himmelmann ist ein Schwelgen in Kostümfantasie. Die Emotionen der Figuren gehen dabei unter.

Hamburg. Es gibt da diesen hübsch plumpen Witz vom Theaterkritiker, der nach der Premiere auf die Straße hinaustritt und den Regen, der ihn empfängt, mit den drei Worten kommentiert: „Auch das noch.“ Die dazugehörigen Empfindungen stellten sich am Sonntag um 20.40 Uhr nach dem Verlassen der Hamburgischen Staatsoper in den aprilhaft windig verregneten Abend ein. Giacomo Puccinis Oper „Manon Lescaut“ war gegeben worden, und auch wenn die zweite Hälfte sängerisch besser gelang als die erste: Die vielen Buhrufe, die der Regisseur Philipp Himmelmann für seine ehrgeizige Inszenierungsidee kassierte, fielen aus gutem Grund.

Denn sein Konzept – Des Grieux als Psychotiker, der alle handelnden Figuren möglicherweise bloß halluziniert und deshalb fast keinerlei körperlichen Kontakt zu ihnen aufnimmt – geht auf der Bühne nicht auf. Himmelmanns Oper ist ein einziges Schwelgen in Kostümfantasie (Gesine Völlm), aber dem emotionalen Beziehungsgeflecht der Figuren fehlt jeder Spielraum, weil die Gefühle untereinander nicht ausgetragen werden. Carlo Ventre muss als unglücklich Liebender Renato Des Grieux zwei Stunden lang dackeltraurig vor sich hin barmend an der Rampe verbringen. Seine Seelenpein ist am Anfang schon so groß, dass kein Geschehen darauf noch steigernd wirken könnte. Immerhin steigerte Ventre sich stimmlich – zum Finale. Auch Norma Fantini sang als Manon zu Beginn nicht halb so schön, wie ihr klangvoller Name verhieß. Aber als sie im letzten Akt Bühne und Drama weitgehend für sich hatte, fanden Sängerin und Figur zu einem stimmigen Ausdruck.

+++ Männerfantasien über Manon +++

Zu den wenigen Stärken der Aufführung gehört Johannes Leiackers Bühnenbild, ein Vexierraum zwischen Spiegelkabinett und derangiertem Oberstübchen von Des Grieux, mit Rundum-Fototapete voller Menschenköpfe, die irgendwie, irgendwo, irgendwann seinen Weg gekreuzt haben. Aber so schön das gedacht und gemacht ist: Was nützt die Liebe in Gedanken – auf der Opernbühne? Puccinis von den Philharmonikern eher Note nach Note als bebend oder gar berstend gespielte Musik (der wenig befeuernde Premierendirigent war Carlo Montanaro) bäumt sich in ihrer emotionalen Soundtrack-Kraft zunehmend hilflos gegen die Himmelmannsche Bühnen-Psychoanalyse auf. Selten war in der Hamburgischen Staatsoper die Kluft zwischen Musik und Regiewollen so groß wie hier.